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Januar 2022

Schönen Samstag reader!


Ein Thema, das gekommen ist, um zu bleiben. Nein, ich rede ausnahmsweise mal nicht von Corona, sondern von der aktuellen Situation an der ukrainischen Grenze. Ein russischer Präsident mit Großmachtfantasien, der vor einem Einmarsch bei seinem „kleinen“ Nachbarn steht. Nur der Zumba-Tanz des britischen Premier Boris Johnson lenkt in diesen Tagen noch von dem Schreckensszenario der möglichen Invasion ab.

Auch deswegen ist in dieser Woche auf keepitliberal.de etwas zu diesem Thema erschienen. Diesmal ist es unser Redakteur Daniel, der sich in seinem Text „Kriegstaube Russland“ dem russischen Unwillen an friedlichen Gesprächen widmet. Was das für die deutsche Außenpolitik bedeutet, erfahrt ihr in seinem Artikel.
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Ein schönes Wochenende und bleib gesund!
Liebe Grüße, Niko

meint! - pointierte liberale Meinungen

Das Ende der deutschen Illusionen

Tut er es, oder tut er es nicht? Die Frage, ob Präsident Putin seine Drohungen wahr macht und russische Truppen die ukrainische Grenze passieren, bestimmt in den letzten Wochen die internationale Politik. Die westlichen Nationen, so viel ist sicher, möchten einen Krieg vermeiden - der Kreml wiederum dreht an der Eskalationsspirale. Doch warum ausgerechnet jetzt?

Klar ist, ein besseres Window of Opportunity hat es für Putin in den letzten Jahren nie gegeben. Gleich mehrere Faktoren bedingen diesen Umstand: die Europäische Union ist gespalten, durch ihre Energiewende abhängiger von Russland, und außen- sowie verteidigungspolitisch schon lange ohne wirklichen Plan. In Frankreich stehen Wahlen an, während in Deutschland gerade erst eine neue Koalition an die Macht gekommen ist. Auch die USA sind innenpolitisch gespalten, wollen sich außenpolitisch eher auf den Pazifikraum und den Systemwettbewerb mit China konzentrieren und scheuen grundsätzlich einen offenen Konflikt.

Sofern es in Putins Interesse liegt, wovon momentan auszugehen ist, bis 2024 (das Jahr der nächsten “Wahl” in Russland) Teile der Ukraine zu besetzen, scheint aus russischer Perspektive jetzt ein geeigneter Zeitpunkt gekommen zu sein. Der exzessive Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze und die zugleich geforderten absurden Sicherheitsgarantien legen einen möglichen Angriff nahe. “Ukraine is not even a country. What is Ukraine?” - dass in Putins Großmachtfantasien der Ukraine nur die Rolle eines “Little Russia” zu Teil wird und der Aggressor in diesem Konflikt natürlich Russland ist, sollte klar sein.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass der Umstand des geöffneten Window of Opportunity zu einem erheblichen Teil die Schuld der Europäischen Union und im Besonderen Deutschlands ist. Es ist zugleich Symptom einer EU, die aufgrund der deutschen Irrfahrten, in der geopolitischen Welt des 21. Jahrhunderts ihren Platz nicht findet. Die Ukraine-Krise zeigt, dass die deutschen Illusionen an der Wirklichkeit scheitern:

Erstens unsere Energiewende, die zwar durch allerlei gute Ambitionen bestimmt ist, aber neben den höchsten Energiepreisen in Europa auch eine Abhängigkeit von autoritären Staaten zur Folge hat. Der zu langsame Ausbau von Erneuerbaren Energien, der an den Tiefen der deutschen Bürokratie und sogenannten “Umweltschützern” scheitert und die ideologische Entscheidung, sich vorschnell aus der Atomkraft zu verabschieden, sind das größte Geschenk, das man Putin hätte machen können. Obwohl eine erfolgreiche Dekarbonisierung grundsätzlich die Chance bietet, uns energiepolitisch aus dem Griff autoritärer Länder zu befreien, stieg die Abhängigkeit von russischem Gas in den letzten Jahren.

Zweitens unser Verständnis von Außenpolitik, die sich im Umgang mit Diktaturen in den letzten beiden Jahrzehnten primär als Außenhandelspolitik verstanden hat. In einem Land, in dem plötzlich alles Private politisch wird, soll nur bei russischen Pipelines oder Freihandelsabkommen mit China eine Ausnahme gemacht werden. Anders lässt sich nicht erklären, warum führende Politiker über Jahre betont haben, dass NordStream2 nur ein privatwirtschaftliches Projekt sei. Obwohl es bekannt ist, dass Russland eine Energie-Geopolitik betreibt und bereit ist, diese jederzeit als Waffe zu benutzen. Die deutsche Unsitte, sich zwar als solidarischstes Land in der EU zu inszenieren, aber im Zweifel die Interessen der heimischen Wirtschaft vor die europäischer Partner zu stellen, schwächt die Handlungsstärke der EU.

Das gilt ebenso drittens für die deutsche Neigung zum Pazifismus, die sich aus einem falschen Verständnis der geschichtlichen Verantwortung Deutschlands ergibt. Wenn die Bundesregierung mit ihrer Geschichte argumentiert, um zu begründen, warum sie keine Waffen an die Ukraine liefere (um zugleich Waffen an die Militärdiktatur Ägypten zu schicken), kann man nur mit dem Kopf schütteln - ist die Lehre aus dem zweiten Weltkrieg etwa, dass Länder mit Großmachtfantasien einen expansiven Freifahrtschein gegenüber kleineren Nationen ausgestellt bekommen? Nicht nur bei Rüstungsexporten, auch bei eigentlichen simplen Dingen wie der Anschaffung von Militär-Drohnen steht der pazifistische Reflex vor verantwortungsbewusster Politik gegenüber den eigenen Verbündeten.

Daraus leitet sich viertens der fehlende Wille zu europäischen Reformen ab. Während Emmanuel Macron in Frankreich begriffen hat, dass Europas verteidigungs- und außenpolitische Rolle in der neuen Geopolitik des 21. Jahrhunderts ein Update braucht, blockiert Deutschland. Ein Update würde schließlich bedeuten, dass man militärisch mehr Verantwortung übernehmen müsste. Sich dieser Realität allerdings zu verweigern, bedeutet die Europäische Union in eine Sackgasse zu manövrieren. Es kann nicht sein, dass wieder die USA in der Ukraine den Großteil der Verantwortung tragen müssen, weil man von Macron und Scholz nur zaghafte Randbemerkungen vernimmt. Die Machtlücke, die durch die Fokussierung der USA auf den Pazifikraum entsteht, müsste durch die Europäer gefüllt werden. Aber machtpolitisches Denken wird von deutscher Seite kaum betrieben.

All diese Entwicklungen, die seit einiger Zeit ihren Lauf nehmen, haben Putin ein Fenster geöffnet. Nun muss es darum gehen, die Kosten eines möglichen Durchbruchs für Russland so hoch wie möglich zu treiben. Alles muss auf den Tisch - auch oder gerade ein Ende von NordStream2 und Waffenlieferungen an die Ukraine. Auch Deutschland muss nun seine Verantwortung tragen.
Ein Meinungsbeitrag von Niko

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