Gendersprache hat in staatlichen Institutionen nichts zu suchen

[CONTRA-PART]: Ein Thema, zwei Meinungen!
Gendergerechte Sprache – ein Thema, das immer wieder heiß diskutiert wird. Unser Gastautor lehnt sie ab – und erläutert, warum.

Das Thema der gendergerechten Sprache beschäftigt mich seit vielen Jahren. Vier Jahre lang war ich selbst Verfechter des Gendersternchen. Das hat sich geändert – nicht aus Protest, sondern nach sachlicher Auseinandersetzung.

Als mich früher eine Freundin das erste Mal auf die Problematik der unterdrückten Frau in der Sprache aufmerksam machte, viele Monologe zum Thema gendergerechte Sprache hielt, überzeugte sie mich, selbst auch zu gendern. Dabei hat sie selbst nie Kontra-Argumente genannt. Ich selbst habe auch nicht danach gefragt, weil alles direkt plausibel klang. Also genderte ich. Vier Jahre lang.

Heute denke ich anders. Wieso? Ich hatte das Glück, mehrere Wortbeiträge zum Thema von Dr. Svenja Flaßpöhler und Dr. Nele Pollatschek zu lesen. Beide nannten auf sachliche Weise zahlreiche Gründe, weshalb die gegenderte Sprache nicht zu weniger Diskriminierung führt, sondern teilweise sogar zu mehr. Definitiv sei sie aber nicht die Lösung. Zu den Argumenten gleich mehr.

Beim Beobachten der unzähligen Debatten zum Thema bemerke ich immer wieder, wie viele Menschen gar keine sachlichen Argumente gegen das Gendern haben. Das ist ehrlich gesagt ziemlich peinlich. Auf diese Weise wirkt es wie ein Protest beruhend auf dummen, unsachlichen Prinzipien. Jedoch werden viele sachliche Gegenargumente nicht einmal in Talkshows von angeblichen Experten ausgeführt. Das lässt mich teilweise fassungslos zurück.

Was sind nun die Gründe, die gegen das Gendern sprechen?

Wenn man mit der semantischen Visualität von Begriffen argumentiert, also dass wir uns beim Wort „Lehrer“ einen Mann und keine Frau vorstellen, ist das nur die halbe Wahrheit. Wir stellen uns nämlich höchstwahrscheinlich einen weißen Mann vor, der höchstwahrscheinlich auch christlich ist, ohne dass wir viel darüber nachdenken. Bei der gegenderten Form „Lehrerin“ wäre es also eine weiße, christliche Frau, die wir uns vorstellen. Hier wird sichtbar, dass das Suffix „-in“ eine „Kategorie“ abbildet, die nie nur aus dem sexuellen Geschlecht besteht, sondern in diesem Fall auch aus den Kategorien „Hautfarbe“ und „Religionszugehörigkeit“. Wir machen also einerseits mehr Kategorien als das Geschlecht sichtbar, andererseits machen wir darauf aufmerksam, dass es letztlich unendlich andere Kategorien gibt, die wir nicht sichtbar machen.

Die Wahl der Kategorie ist beliebig, genauso hätte man auch statt „Geschlecht“ die „Religionszugehörigkeit“ verwenden können. In diesem Fall hätte es „Lehrerjude“ heißen müssen. Weil das aber völlig absurd erscheint, wird darüber erst gar nicht diskutiert. Zurecht.

Bei dem Gendersternchen geht es um die Sichtbarkeit der biologischen Geschlechter und des sozialen Geschlechts (Gender). Die Pluralbildung Lehrer*Innen macht beispielsweise nur die männliche und die weibliche Suffixform sichtbar. Beim * muss jeder sich die anderen Geschlechter und Gender vorstellen, deren Anzahl wahrscheinlich auch ins Unendliche geht. Wer kann diese schon alle aufzählen? So bleiben diese letztlich im Vergleich zur männlichen und weiblichen sichtbaren Form weiterhin diskriminiert. Es löst auch nicht die Diskriminierung anderer Kategorien (Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, sozialer Stand etc.). Diese bleiben auch weiterhin diskriminiert.

Indem wir mehr also mehr Kategorien in unserer Sprache schaffen, steigern wir die Diskriminierung und machen sie nicht weniger. Insbesondere, weil nie alle Kategorien in einer Sprache abgebildet werden können.

In linken Diskursen wird zudem häufig die binäre Betrachtung der Geschlechter in „männlich“ und „weiblich“ kritisiert, weil es auch Zwitter gibt oder Transgender. Gleichzeitig führt das Gendern zu einer Betonung der Binarität. Daran ändert auch ein Sternchen nichts.

Dann gibt es rein alltagspraktische Probleme. Was ist mit Komposita wie „Lehrerzimmer“. Muss es dann „Lehrer*innenzimmer“ heißen? Wie soll das Sternchen grammatisch eingebunden werden? An meiner Heimatuniversität waren in der Sprachwissenschaft das Gendern und das Sternchen kein Thema, obwohl fast alle Sprachwissenschaftsdozenten und die Mehrheit der Germanistikstudenten weiblich sind. Gestört hat es niemanden.

Wenn eine weiblich aussehende Person, die aber in Wirklichkeit männlich ist, mit „Lehrerin“ angesprochen wird, ist das genauso diskriminierend. Man kann das Geschlecht und das Gender nicht zwangsläufig von außen erkennen. Das ist doch auch etwas, was die Befürworter oft in anderen Zusammenhängen betonen.

Darüber hinaus möchte nicht jede Person gegendert werden. Weil man das nicht weiß, ist es auch diskriminierend, es trotzdem einfach zu tun.

Viele Menschen vergessen auch, dass einerseits ein Unterschied zwischen Sexus und Genus besteht und dass das generische Maskulinum ursprünglich und über Jahrhunderte bereits alle Geschlechter inkludiert hat. Bei Sprache geht es immerhin in erster Linie um die praktische und kommunikative Anwendung. Viele Frauen haben sich nie durch die Sprache diskriminiert gefühlt und trotzdem haben es die Frauen in Deutschland auf dem Papier zu den gleichen Rechten wie Männer geschafft. Dass Frauen in manchen Bereichen unterrepräsentiert ist, hat mit der Sprache aber rein gar nichts zu tun. Gendersprache baut nicht Diskriminierungen ab, sondern schafft mehr Fälle unterschiedlicher Formen der Diskriminierung.

Angela Merkel bezeichnete sich früher übrigens selbst als „Bundeskanzler“. Hätten alle sie „Bundeskanzler“ genannt, so würden Jugendliche sich heute bei dem Wort „Bundeskanzler“ höchstwahrscheinlich Angela Merkel als Frau vorstellen. Immerhin wären sie seit der Geburt mit Angela Merkel und dem Begriff „Bundeskanzler“ aufgewachsen. Es ist der beste Beweis, wie Sprache sich von alleine entwickelt und wandelt.

Es gibt noch viele weitere sachliche Gründe, die ich am liebsten aufführen würde, aber es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.

Letztlich geht es mir darum, dass jeder natürlich freiwillig gendern darf. Wenn jemand darum bittet, sollte man es auch im Dialoggespräch respektieren. Jedoch sollte man nie vergessen, dass das Gendern zwangsläufig eher zu mehr Diskriminierung und besonders zu mehr gesellschaftlicher Spaltung führt, weil die Menschen nur noch in Kategorien gesteckt und nicht mehr als Individuen betrachtet werden.

Alleine weil diese postfeministischen Ansätze bisher nicht breit in der Gesellschaft diskutiert wurden, die sachlichen Kontra-Argumente nicht allen Menschen bekannt sind, darf es nicht sein, dass bereits jetzt staatliche Institutionen – dazu gehören auch der ÖRR und die Universitäten – Gendersprache übernehmen.

Diese tiefgreifenden staatlichen Eingriffe in die Sprache halte ich für äußerst problematisch und willkürlich. Wie viel Sprengstoff dieses Thema hat, beobachten wir täglich auf allen Social-Media-Kanälen. Mir bereitet diese Entwicklung ernsthafte Sorgen.

Wer gendert, sollte sich unbedingt mit den sachlichen Gegenargumenten beschäftigen. Wer nicht gendert, es als „Gendergaga“ abstempelt, ohne sachliche Argumente zu haben, sollte sich auch schleunigst mit diesen Themen auseinandersetzen.

Ich jedenfalls werde weiterhin nicht gendern, weil ich für mehr Gleichberechtigung in der Gesellschaft werbe und mich für weniger Diskriminierung engagiere. Gendersprache sollte in der Verwaltung, den Medien und der Politik zunächst verboten sein. Jedenfalls solange, bis die Sprache sich auf natürliche Weise dahingehend entwickelt hat.


Der Gastbeitrag spiegelt die Meinung des Gastautors wider.


Gastautor

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