„Ökozid“ – alle böse, nur nicht die Grünen

Im Rahmen der ARD-Themenwoche “Wie wollen wir leben?” werden Themen rund um den Klimawandel behandelt. Viel Aufsehen erregte der Film “Ökozid”. Eine Filmkritik.

Bild: obs/ARD Das Erste

Die ARD hat zurzeit eine Themenwoche: „Wie wollen wir leben?“ wird dort gefragt und es werden Talkshows, Berichte, sogar Filme unter diese Überschrift gestellt. Ein Highlight aus Sicht der ARD gab es dann am Mittwoch: Der eigens produzierte Film „Ökozid“ lief zur Prime Time, er spielt im Jahr 2034, der Inhalt ist schnell umrissen. Deutschland wird von 31 afrikanischen Staaten vor dem Internationalen Gerichtshof verklagt, Klägervertreterin ist eine Anwältin, die an Luisa Neubauer erinnern soll (tatsächlich studiert die übrigens nicht Jura, sondern hat vor Kurzem ihren Bachelor in Geographie gemacht). Die Pointe wird schon mehrfach durch die Aufmachung angekündigt: Szenen im Freien sind mit noch mehr Überlichtung als das Traumschiff gedreht, Räume sind mit Folie abgehängt; der Sommer im Jahr 2034, ginge es nach Regisseur Andres Veiel, ist kaum noch auszuhalten. Und ganz im Sinne dessen hat natürlich Merkel, die bis 2021 Kanzlerin war, am Ende ein Einsehen und bittet um ein Urteil, das zugunsten der afrikanischen Länder ausfällt, Milliarden- und schrittweise bis zu Billionenzahlungen sollen fällig werden. Zwischendurch war immer wieder aufgezeigt worden, wie „die Politik“ von 1998 bis 2020 versagt hätte.

Tatsächlich handelt es sich bei diesem Film um eine Ode an die Grünen. Ein Betteln um eine Regierungsbeteiligung, tief aus der Berliner Blase. Warum sonst sollte Merkel dort vor Gericht stehen und Deutschland angeblich vertreten, wenn zwischen ihrer Kanzlerschaft und 2034 13 Jahre und damit über 3 Legislaturperioden liegen? Die Antwort ist einfach: Ab 2021 regieren die Grünen schließlich mit und werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, nur ist es dann leider zu spät. Auch ansonsten werden die Grünen nur am Rande erwähnt, sie seien in der Regierungszeit von Schröder nicht standhaft genug gewesen – inhaltlich oder vom Verhalten von Grünen in Landesregierungen ist keine Rede. Die bösen GroKo-Parteien haben die idealistischen Grünen jahrelang unterjocht und damit Deutschland und die Welt vor den Karren gefahren, so das Narrativ von „Ökozid“. Als dann noch von einem „Recht der Natur auf Unversehrtheit“ die Rede ist, ist die unwissenschaftlich-esoterische Rhetorik der Homöopathen und Gentechnik-Gegner komplettiert. Wie ich als Mensch überhaupt noch atmen, geschweige denn essen soll, wenn „die Natur“ ein Recht auf Unversehrtheit hätte, bleibt schleierhaft und findet natürlich keine Erwähnung im Film; was nicht reinpasst, wird eben ausgelassen.

Man hätte aus dieser Thematik tatsächlich das ein oder andere Interessante herausholen können, denn natürlich stellt uns der Klimawandel vor Herausforderungen, die bereits im Jahr 2034 große Gefahren zur Folge haben können. Gibt es einen Rechtsanspruch, nicht von Staaten und nicht aufgrund eines „Rechts der Natur auf Unversehrtheit“, sondern Einzelner gegenüber fremden Staaten aufgrund von Schäden durch den Klimawandel? Wie bemisst sich der Schadensersatz, anteilig am CO2-Ausstoß? Vor welchem Gericht würde solches verhandelt, schließlich erkennen weder die USA, noch China und Russland den Internationalen Gerichtshof an? Welche politischen Leitplanken wurden 2020-2034 durch welche Regierungen gesetzt? Zu alledem: Fehlanzeige. Stattdessen ist „Ökozid“ ein Fridays-For-Future-Pamphlet, gepresst in 90 Minuten. Fakten fließen nur ein, wenn sie in die eigene Erzählung passen. Was zum Beispiel ausgelassenwurde: Das Rüstzeug zur Bewältigung des Klimawandels ist bekannt. Der Emissionshandel trägt evident dazu bei, dass Emissionen gesenkt wurden. In Deutschland seit 1990 um 36% (geplant waren 40%), zeitgleich wurde die Wirtschaftsleistung verdoppelt. Gerade deswegen müssen mehr Sektoren in den Emissionshandel einbezogen werden (bspw. der Verkehr) und er muss so international wie möglich gefasst werden. Ein hehres, geradezu visionäres Ziel im Jahr 2034 wäre ein globaler Emissionshandel. Auch davon – keine Rede im Film. Stattdessen wird der menschenverachtende Begriff des „Ökozid“ geradezu lapidar als Filmtitel verwendet; und der Film hält mit klischeehaften Dialogen, einer ziemlich klaren Verteilung von „Gut“ und „Böse“ und der ein oder anderen herzzerreißenden Wendung alles, was man sich von einem mittelmäßigen Fernsehfilm erwarten darf – zu gerne finanziert von uns Beitragszahlern.

Ob die Prioritäten bei der Themenwoche insgesamt stimmen, sei mal anheimgestellt. Denn Zukunftsfragen stellen sich zwar beim Klimawandel, aber genauso bei einem Rentensystem, das aktuell nur bis 2025 garantiert ist, und einem Bundeshaushalt, der durch immer mehr Schulden belastet wird. Anne Will wollte am Sonntag gerne noch übers Gendern reden – Friedrich Merz entgegnete dem, dass die Prioritäten angesichts der großen außenpolitischen Bedrohung für unsere Werte durch China vielleicht nicht ganz geordnet sind und gerade das Teil des Problems sei; Entrüstung bei Grünen und Linken. Doch es stimmt: Natürlich gehören auch Fragen über die Zukunft unseres Verständnisses von Geschlechtern und Gesellschaft auf die Tagesordnung. Doch wenn nach Zukunftsthemen gefragt wird, sind kulturelle, internationale Konflikte, ein China, das aufholt und teilweise die Dystopie vorlebt, viel zu stark an den Rand gerückt. Wenn wir wirklich fragen, wie wir in 10, 15 Jahren leben werden, kommen wir um ein starkes Europa als globales Gegengewicht zu den imperialen Bestrebungen Chinas nicht herum. Der ARD scheint dies zu abstrakt zu sein.

17,50€ zahlt jeder Haushalt monatlich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wenn es nach CDU, SPD und Grünen geht, bald über 18€. Ein Großteil dieser jetzt schon völlig sozial ungerechten Kosten fließt nicht etwa in Nachrichten und Information, sondern in Sport, Serien und Filme. Wenn die ARD fragt „Wie wollen wir leben?“, ist meine Antwort klar: Nachhaltig, wirtschaftlich und sozial fortschrittlich; und mit deutlich weniger Rundfunkbeitrag.


Der Gastbeitrag spiegelt die Meinung des Gastautors wider.


Max
Gastautor

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