Politischer Fußball?!

Wie politisch ist der Fußball? Und wie politisch sollte er sein? Diese Fragen rund um das Verhalten der UEFA beschäftigen in den letzten Tagen viele.

Der von der FDP im Münchener Stadtrat initiierte Vorstoß des Münchener Oberbürgermeisters Dieter Reiter (SPD), die Allianz-Arena während des Fußballspiels Deutschland-Ungarn in Regenbogenfarben zu beleuchten, wurde von der UEFA abgelehnt. Die UEFA sei „gemäß ihrer Satzung eine politisch und religiös neutrale Organisation. Angesichts des politischen Kontextes dieses speziellen Antrags – eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen nationalen Parlaments abzielt – muss die UEFA diesen Antrag ablehnen.“ Das wirft die Frage auf, wie unpolitisch Sport – und die jeweiligen Sportverbände – wirklich sind.

Sport ist Unterhaltung. Unterhaltung dient dazu, sich vom Alltag zu entspannen, Abends auf der Couch zu sitzen und sich von der anstrengenden Arbeit erholen – da stört Politik doch nur. Die Sportverbände haben auch keine Lust auf Politik: Sie wollen keine Länder und damit mögliche Partner mit etwaigen konkreten politischen Statements verärgern.

Dabei machen beide – Fans und Verbände – Ausnahmen. Für den Fan ist nur das politisch, was er selbst ablehnt beziehungsweise womit er nicht vollkommen konform geht. Da wird die Regenbogenbinde von Neuer zu einem politischen Symbol, welches den Sport kaputt machen würde. Wenn es dann aber um Transfrauen geht, die mit anderen Frauen wetteifern, ist die Empörung nicht mehr politisch, sondern gesunder Menschenverstand.

Für die Sportverbände geht es auch um Geld: Gegenüber Demokratien werden unverschämte Forderungen gestellt, wie die Lockerung der Corona-Einreisebeschränkungen, um Sponsoren einfliegen zu können, obwohl die Fallzahlen gerade wieder stark ansteigen. Ansonsten, so droht man, würde das EM-Finale in einem anderen Land stattfinden. Vor Autokraten wird aber gekuscht. Man ist sich ja bewusst, dass Demokratien ihren Wirtschaftsunternehmen eher selten vorschreiben, wen sie zu sponsern haben. Russland, Katar, China und vermutlich bald auch Orbáns Ungarn haben im Gegensatz dazu ihre Wirtschaft fest im Griff. Auf das Geld von Gazprom, Qatar Airways, TikTok, Vivo, Hisense und Alipay will die UEFA natürlich nicht verzichten.

Da müssen halt Opfer gebracht werden. Die Opfer, über die man schweigt, sind unter anderem die 6.500 Arbeiter, die in Katar bei den Bauarbeiten für die WM 2022 starben, die in chinesischen Lagern gefangenen Uiguren und die Queers, die in Russland und Katar um ihr Leben fürchten müssen und in Ungarn nicht mehr als Menschen zweiter Klasse sind.

Wie praktisch, dass das Ansprechen all dieser Missstände ein politisches Statement ist. Die EM soll laut UEFA ein Turnier für alle sein…

…außer eben für die 6.500 Toten in Katar, die Uiguren in chinesischen Konzentrationslagern und die Queers in Russland, Ungarn oder Katar.

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