Was bedeutet die Chatkontrolle?

Die von der EU-Kommission geplante Chatkontrolle wäre ein empfindlicher Eingriff in Grundrechte und Privatsphäre. In seinem Gastbeitrag erklärt EU-Parlamentarier Moritz Körner, was der Vorschlag der Kommission konkret bedeutet und warum er ihn strikt ablehnt.

Am 11.05.2022 hat die Europäische Kommission einen Gesetzesvorschlag vorgestellt, mit dem sie die Grundrechte der EU-Bürger im Internet massiv einschränken könnte. Im Hauptfokus des Entwurfs steht dabei eigentlich die Bekämpfung der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen in Chat- und Messenger-Diensten. So soll das Teilen von Bildern und Videos, die Kindesmissbrauch zeigen, durch die Verordnung deutlich erschwert werden. Doch dahinter verbirgt sich deutlich mehr.

Natürlich tut die EU-Kommission gut daran, den Kampf gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch zu intensivieren. Aber der Vorschlag hat weitaus weitreichendere Folgen für die digitalen Grundrechte. Denn um Missbrauchsdarstellungen in privaten Chats erkennen zu können, muss es möglich sein, ebendiese Chats in Echtzeit zu überwachen.

Aus diesem Grund plant Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Anbieter von Kommunikationsdiensten wie WhatsApp, Facebook oder Instagram zukünftig verpflichten zu können, die private Kommunikation ihrer Nutzer inklusive aller Fotos und Videos zu durchleuchten. Die Anbieter sollen nach bereits bekannten, aber auch nach noch unbekannten Missbrauchsdarstellungen in den Chats suchen. Zusätzlich soll ein eigens eingerichtetes EU-Zentrum Technik bereitstellen und auch die Prüfung von als “verdächtig” gekennzeichneten Inhalten übernehmen. Private Kommunikation würde damit auf dem Behördenschreibtisch landen.

Die Kommission will aber nicht nur Missbrauchsdarstellungen, also Bilder und Videos, bekämpfen, sondern auch das sogenannte “Grooming”. Darunter versteht man die gezielte Ansprache von Kindern und Jugendlichen auf Online-Plattformen durch Erwachsene mit Missbrauchsabsichten. Um dies zu verhindern, müsste die Software also nicht nur Bilder und Videos scannen, sondern auch explizit den Inhalt der versendeten Nachrichten verstehen und überwachen können. Dies würde das Ende des digitalen Briefgeheimnisses für die EU-Bürger bedeuten.

Ein weiterer Teil der Verordnung könnte sogar zu einem Verbot von Apps für Jugendliche führen. Zukünftig müssen die Anbieter Risikoabschätzungen vornehmen und den Zugang zu besonders gefährlichen Apps für junge Menschen einschränken. Dies würde sie de facto von der Nutzung von Apps wie WhatsApp oder Instagram ausschließen. Gerade für die junge Generation sind diese Chat- und Messaging-Dienste aber heute ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens. Ein App-Verbot wäre eine unverhältnismäßige Bevormundung der jungen Bevölkerung.

Schon heute nutzen die Täter zum größten Teil keine regulären Chat- und Messaging-Dienste, sondern spezielle Foren im Dark Net, die im Vorschlag der Kommission nicht berücksichtigt werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind daher weder verhältnismäßig noch werden sie Kindesmissbrauch wirksam bekämpfen. Kritik kommt nicht nur von Datenschützern, sondern auch von Kinderschutzorganisationen wie dem Deutschen Kinderschutzbund.

Ich lehne den Entwurf der Europäischen Kommission daher strikt ab und werde mich dafür einsetzen, dass die EU-Kommission den Vorschlag zurückzieht. Um Kindesmissbrauch wirksam bekämpfen zu können, muss mehr in die Ausstattung der Polizei, der europäischen Polizeibehörde Europol und in die Zusammenarbeit der Behörden investiert werden. Kinder werden durch mehr Personal bei der Polizei, den Jugendämtern und den Familiengerichten geschützt, nicht durch anlasslose Überwachung.


Der Gastbeitrag spiegelt die Meinung des Gastautors wider.


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