AstraZeneca für alle!

Das Bundesgesundheitsministerium hat die COVID-19-Impfungen mit dem Impfstoff von AstraZeneca einstweilen gestoppt. Die Entscheidung ist ein heftiger Rückschlag für die ohnehin schleppend laufende Impfkampagne. Dabei könnte es auch anders gehen.

Es war wie ein Schlag ins Gesicht für ein von Dauerlockdown und Impfdebakel gebeuteltes Land: Gestern (15.03.2021, Anm. d. Red.) gab das Bundesministerium für Gesundheit bekannt, dass die Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin in Deutschland vorerst gestoppt würden. Als Grund gab man Thrombosefälle an, die nach der Impfung aufgetreten waren. Das Paul-Ehrlich-Institut hatte danach empfohlen, die Impfungen zu stoppen, um eine Entscheidung der Europäischen Arzneimittelagentur EMA abzuwarten, die am 18. März tagen will.

Korrelation ist nicht Kausalität

Dabei hatte man gerade in diesen Impfstoff große Hoffnungen gesetzt. Breiter verfügbar als der von BioNTech / Pfizer, sollte er die Impfkampagne richtig ins Rollen bringen, nachdem anfängliche Vorbehalte zu schwinden begonnen hatten. Und nun? Impfstopp. Gegen die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Wegen weniger aufgetretener Thrombosen, deren Zusammenhang zu den Impfungen in keiner Weise nachgewiesen ist. (Update 16.03.2021, 09.51 Uhr: Es scheint nun wahrscheinlich zu sein, dass es sich um eine – wenn auch sehr selten auftretende – Impfnebenwirkung handelt.) Der SPD-Gesundheitspolitiker und Epidemiologe Karl Lauterbach hatte bereits am Vorabend eine Grafik auf Twitter gezeigt, die den verschwindend geringen Anteil der Thrombosefälle deutlich machte.

Lauterbach zufolge sei das Thromboserisiko zudem nicht höher als ohne Impfung. Darüber hinaus liegt gerade auch in einer COVID-19-Erkrankung ein erhöhtes Thromboserisiko. Legt man die gezeigte Grafik zugrunde, beträgt die Anzahl der Thrombosefälle nach AstraZeneca-Impfung in UK also 0,00014 %. Zum Vergleich: Die Sterblichkeitsrate unter den gemeldeten COVID-19-Infektionen beträgt in Deutschland derzeit 3,03 %. Welches von beiden das größere Problem ist, kann sich jeder selbst denken. Dass andere, völlig gängige Medikamente deutlich höhere Nebenwirkungsraten haben, sei hier nur am Rande erwähnt.

Ein verbrannter Impfstoff?

Spahns Entscheidung hingegen wird sicherlich erhebliche Nebenwirkungen haben. Sie beschädigt das Image des Impfstoffs, der schon bei seiner Einführung mit Startschwierigkeiten wie der Nichtzulassung für über 65-Jährige zu kämpfen hatte, nachhaltig – und das ohne Not. Sie gibt Impfgegnern Aufwind. Selbst wenn die Impfungen mit AstraZeneca wieder aufgenommen werden sollten – die Akzeptanz des Impfstoffs wird drastisch sinken. Zu groß wird der Vertrauensverlust sein, den diese Entscheidung nach sich ziehen wird.

Klammert man sich nun weiter an die starren Regeln der Impfverordnung, wird der Impfstoff womöglich bald in großen Mengen ungenutzt herumliegen, während andere Menschen dringend auf ihn warten – als Ausweg in die Freiheit. Ein solcher Zustand würde der ohnehin schon völlig desaströsen Impfkampagne endgültig die Narrenkappe aufsetzen.

Hebt die Priorisierung auf!

Aber es gibt eine einfache Lösung: Der AstraZeneca-Impfstoff sollte sofort für alle Menschen ab 18 Jahren freigegeben werden. Gerade der Freiheitsdrang junger Menschen ist groß – viele würden die wohl verschwindend geringen Risiken einer AstraZeneca-Impfung sofort in Kauf nehmen. Und das ist ihr gutes Recht. Denn nicht der Staat hat über die persönliche Risikoaversion zu befinden, sondern das Individuum.

Auch die mittleren Altersgruppen – immerhin nicht wenige unter ihnen vorerkrankt und damit potentielle COVID-Risikopatienten – kämen früher in den möglichen Genuss einer Impfung. Beispielsweise ein geregeltes Berufsleben wäre schneller wieder möglich, genauso wie soziale Kontakte.

Letzten Endes muss es die freie Entscheidung jeder und jedes Einzelnen sein, ob und womit sie oder er sich impfen lässt. In einer Jahrhundertpandemie den trotz Lieferschwierigkeiten am breitesten verfügbaren Impfstoff wegen kleinster Nebenwirkungsängste aufs Abstellgleis zu schicken ist nicht nur fahrlässig, sondern die perverseste Form der Bevormundung des Bürgers – vor allem zu einem Zeitpunkt, an dem die Infektionszahlen in Deutschland wieder steigen. Seit Monaten werden Grundrechte eingeschränkt, Freiheiten genommen, Existenzen zerstört, Bildungswege beschnitten. Diese Situation noch mit einem Impfstopp zu torpedieren, ist eine Farce.

Vielleicht müssen wir es als Chance begreifen: Der Impfstoff kann jetzt in breitere Bevölkerungsschichten und Altersgruppen gebracht werden. Wenn jüngere Menschen geimpft sind, sinken Ansteckungsgefahren, etwa am Arbeitsplatz oder in der – hoffentlich bald wieder geöffneten – Gastronomie.

Jens Spahn muss jetzt handeln und AstraZeneca freigeben – lieber heute als morgen.

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