Bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt beschwor die CDU rund um den Kanzlerkandidaten Armin Laschet immer wieder die “Brandmauer gegen Rechts”. Wie einsturzgefährdet diese “Brandmauer” tatsächlich ist, zeigt ein Blick in den Bundestagswahlkreis Suhl-Schmalkalden-Meiningen-Hildburghausen-Sonneberg. Seit Wochen beherrscht der thüringische Wahlkreis mit knapp 230.000 Wahlberechtigten die bundesweiten Schlagzeilen. Daran beteiligt: der ehemalige Verfassungsschutzpräsident und CDU-Politiker Hans-Georg Maaßen.
“Solidarität mit Israel”
Anfang Mai flammten die Diskussionen rund um Hans-Georg Maaßen auf, als die Klimaaktivistin Luisa Neubauer bei Anne Will mit dem CDU-Vorsitzenden Armin Laschet über die Aktivitäten seines thüringischen CDU-Direktkandidaten auf den Sozialen Medien diskutierte. Ein Wort ist seit diesem Auftritt unmittelbar mit Hans-Georg Maaßen verknüpft: Antisemitismus. Er selbst will davon nichts wissen und verweist auf seine enge Beziehung zum Staat Israel. So schrieb er nach einem Bericht des ARD-Magazin “Kontraste” am 4. Juni auf Twitter: “Ich stehe zur historischen #Verantwortung für den Staat #Israel und zum Recht Israels auf Selbstverteidigung.” Doch der Verweis auf Israel ist kein Alleinstellungsmerkmal von Hans-Georg Maaßen. Auch die Neue Rechte wie die AfD oder PEGIDA bedienen sich einer vorgeschobenen Solidarität mit dem jüdischen Staat. Sie sehen Jüdinnen:Juden als europäisch, pro-israelisch, anti-muslimisch und verkennen so jüdische Lebensrealitäten in Deutschland. Das erlaubt es der extremen Rechten, die vorgeschobene Israel-Solidarität für ihre eigenen Interessen umzumünzen.
Das Verhältnis zum jüdischen Staat bleibt dabei ein instrumentelles und dient der eigenen Strategie: der Immunisierung gegen Kritik an ihrem Antisemitismus. Denn in der postnazistischen Gesellschaft ist offener Antisemitismus seit der Shoa weitgehend tabuisiert. Deshalb erleben wir es häufig, dass dieser chiffriert und in Form von Umwegkommunikation geäußert wird. Entsprechende Narrative können Wörter wie kosmopolitisch, globalistisch, internationalistisch oder heimatlos nutzen und diese mit Jüdinnen:Juden verknüpfen. Diese Chiffren transportieren Bilder vermeintlich „jüdischer Macht“. Hans-Georg Maaßen war mehrere Jahre der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutzes. Er hat in seiner Amtszeit den Aufstieg der Neuen Rechten miterlebt und ihre Agitation intensiv verfolgt. Entweder weiß er nicht, was es mit diesen Wörtern auf sich hat, und dann stellt sich die Frage, was er eigentlich beim Verfassungsschutz gemacht hat. Kennt er wiederum ihre Bedeutung und benutzt sie trotzdem, dann betreibt er gezielt Dog-Whistling.
Unter Neuen Rechten?
Erst kürzlich wurde der Verfassungsschutzbericht 2020 vorgestellt. Bei der anschließenden Pressekonferenz stellte der Journalist Tilo Jung dem anwesenden Innenminister Horst Seehofer und dem aktuellen Präsidenten des Verfassungsschutz Thomas Haldenwang eine Frage, die die beiden nicht so ganz beantworten wollten oder konnten: “Zählen Sie Herrn Maaßen mittlerweile zur Neuen Rechten?” Beide wirkten von der Frage sichtlich irritiert und suchten nach den passenden Worten. Am Ende ließ Thomas Haldenwang verlauten: “Jeder, der sich am Kampf gegen Antisemitismus beteiligt, sollte es vermeiden, Stereotype zu benutzen, die eben auch in bestimmten Kreisen als antisemitisch bekannt sind und wahrgenommen werden.”
Zwischenzeitlich zieht Hans-Georg Maaßen beim Waldspaziergang – ein ähnliches Interviewformat wählten bereits AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und Verschwörungsideologe Attila Hildmann – mit dem Internetportal “Hallo Meinung” über den Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ralph Brinkhaus her. Mit ihm könnte sich Hans-Georg Maaßen zwar ab September Fraktionsräume im Deutschen Bundestag teilen, aber das hielt ihn allen Anschein nicht davon ab. Andernorts fordern zwei thüringische CDU-Landtagsabgeordnete zusammen mit der AfD-Fraktion die Entlassung des thüringischen Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer. Kramers Vergehen? Er hatte davon gesprochen, dass Maaßen “klassische antisemitische Stereotype” benutze und dass dieses strategische Spiel mit Chiffren “eine beliebte Methode der Neuen Rechten” sei.
Und während Hans-Georg Maaßen einen inzwischen gelöschten Tweet des CDU-Generalsekretärs Paul Ziemiak retweetet, in dem dieser nach Carolin Emckes Rede auf dem Parteitag der Grünen schreibt: “Beim Thema Antisemitismus darf es keinen Raum für Interpretationen geben”, bröckelt die “Brandmauer gegen Rechts” mit dem Schweigen der CDU-Führung zu Hans-Georg Maaßen immer weiter.
Der Gastbeitrag spiegelt die Meinung des Gastautors wider.
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