Zwei Jahre sind in einem durchschnittlichen Leben von 80 Jahren nur ein kurzer Zeitraum. Für einen 16- oder 18-Jährigen ist das aber eine gefühlte Ewigkeit. Zwei Jahre lang hielten sich Kinder und Jugendliche an die Corona-Maßnahmen. Sie blieben insgesamt über ein halbes Jahr zu Hause statt die Schule zu besuchen, isolierten sich und durften viele soziale Ereignisse, die ein “normaler” Jugendlicher in ihrem Alter vorher erlebte, nicht nachempfinden.
Klassenfahrten, das Zeltlager, die Fußballsaison, der USA-Austausch, das Feiern am See und vieles mehr konnte nicht oder nur ansatzweise genossen werden. Selbst einfache Freizeitaktivitäten wie das Sitzen auf der Parkbank oder das Joggen nach 22 Uhr wurden über Monate hinweg verboten – irre. Dergleichen darf sich nicht wiederholen, nie wieder.
Ich will hier nicht im Selbstmitleid versinken und alles aufzählen, was mir noch an Freiheiten entzogen wurde. Davon abgesehen, dass man damit einen ganzen Roman füllen könnte. Doch das Gefühl, dass man sich rechtfertigen muss, wenn man von seiner allgemeinen Handlungsfreiheit Gebrauch machen will, verschwindet bei mir zunehmend. Denn es sind nicht diejenigen, die den Wegfall der Maßnahmen begründen müssen, sondern diejenigen, die sie weiterführen wollen. Trotzdem muss nun mit der Omikron-Welle und der damit verbundenen geringen Auslastung der Intensivstationen begründet werden, dass die Corona-Maßnahmen wegfallen müssen. Es war richtig, sich und andere zu schützen. Es ist aber auch richtig, jetzt alle Maßnahmen zu beenden.
Es freut mich und sicher auch viele in meinem Alter, dass viele in der Politik dies auch realisiert haben. Doch der groß angekündigte “Freedom Day” kann nicht als solcher tituliert werden. Sogenannte “Basismaßnahmen” wie die Beibehaltung der Maskenpflicht oder sogar verpflichtende Tests haben nichts mit der hoffnungsvoll erwarteten Freiheit zu tun.
Diese Freiheit, etwas ohne, dass dich jemand daran hindert, zu tun oder eben zu lassen, ist für Jugendliche aus meiner Sicht der wichtigste Bestandteil beim Heranwachsen. Man testet Grenzen aus, lernt an Erfahrung dazu und löst sich los von früheren Konventionen. All das muss nicht per se förderlich für einen sein, doch allein die Situation, dass wir nicht einmal ansatzweise in die Lage geraten sind, diese Freiheit zu nutzen, sie auszuprobieren und sich auf ihren Fortbestand verlassen zu können, wird größere Folgen für uns haben, als sie bei der Einführung der Schutzmaßnahmen je befürchtet worden waren.
Es bleibt zu sagen, dass wir einen großen Verlierer nach zwei Jahren Pandemie haben werden: unsere Demokratie. Aus der doppelten Impfung als Freiheitsgarant wurde ein Impfangebot für alle, daraus wurde eine hohe Impfquote für alle, daraus wurde die dritte Impfung, daraus die Impfpflicht. Ich habe dies alles mitgemacht und daran geglaubt, dass am Ende dieses Tunnels ein Licht für Öffnungen erscheint. Doch ich habe mich wie so viele in meinem Alter getäuscht. Das Vertrauen wurde nicht nur verspielt, es wurde verprügelt bis nur noch ein letzter Rest dageblieben ist. Es liegt nun an der Politik, das restliche Vertrauen nicht zu missbrauchen. Zu groß ist die Gefahr, dass immer radikaler werdende Ränder die Stimmung für sich ausnutzen.
Daher brauchen wir am 20. März den Freedom Day. Das ist zwar zu spät, aber besser spät als nie. Es muss akzeptiert werden, dass das Virus in seiner jetzigen Gestalt keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellt. Der Freedom Day muss von allen demokratischen Parteien symbolisch für das Ende aller Maßnahmen ausgerufen werden. Nur so kann die bisherige Corona-Politik zum Schutze der Gesellschaft auch aus wissenschaftlicher Sicht legitimiert werden. Wenn die Politik dies ignoriert und am 20. März nicht alle Maßnahmen fallen, wird nicht nur unsere Freiheit, sondern bei vielen auch die Akzeptanz für das Handeln der Politik verschwinden.
Der Gastbeitrag spiegelt die Meinung des Gastautors wider.