COVID-19 und der Beruf

Die direkten und indirekten Auswirkungen von COVID-19 begleiten uns seit über einem Jahr und erstrecken sich in alle Bereiche des privaten und beruflichen Lebens.

Mir persönlich geht es gesundheitlich und wirtschaftlich sehr gut. Ich habe einen Beruf, der durch COVID-19 quasi kaum beeinträchtigt wird. Als IT-Berater ist es für mich Alltag, in Videokonferenzen, Web- Sessions oder via Chat mit meinen Kunden, Kollegen und Abteilungsleitern zu kommunizieren. Doch selbst für mich, den Digital Native, gibt es Bereiche, in denen ich die normale Interaktion vermisse. Mit den Kollegen aus anderen Abteilungen in der Mittagspause oder beim Kaffee in der Küche fachsimpeln – leider momentan nicht möglich. Das ist selbst für eingespielte Teams, in denen sich alle Beteiligten seit Jahren kennen, eine enorme Belastung. Für neue Kollegen ist die Situation noch mal deutlich komplexer und belastender.

Leider weiß ich, worüber ich spreche. Dank Corona habe ich Anfang 2020 meinen ersten Job nach dem Studium im Home Office angetreten. Der typische erste Rundgang durchs Büro ist entfallen, kein Small Talk mit den neuen Kollegen oder gar mit Kollegen aus einer anderen Abteilung. Wenn ich nicht das Glück gehabt hätte, bereits vorher mit dem Unternehmen zusammengearbeitet zu haben – ich glaube, ich hätte mich sehr verloren gefühlt. Ein paar Videocalls mit dem Team, dem Abteilungsleiter und dem Inhaber ersetzen einfach nicht den Rundgang durch das Unternehmen, den Plausch in der Kaffeeküche oder das gemeinsame Mittagessen. Diese kleinen Details hören sich im ersten Moment sehr unbedeutend an, in Summe sind sie meiner Meinung nach aber unverzichtbar für ein kollegiales, produktives Arbeitsumfeld.

COVID-19 erschwert es massiv, diesen Teamspirit zu entwickeln. Die reale Interaktion ist nur mit viel Aufwand und Mühe virtuell zu replizieren – manche Aspekte sind auch einfach einzigartig und können nicht in das Virtuelle übernommen werden. Das muss selbst ich als “Digital first, Bedenken second”- Verfechter feststellen.

Doch es gibt einen Lichtblick am Ende des Tunnels. Mit etwas Aufwand und Mühe ist es möglich, das Onboarding so angenehm wie möglich zu gestalten. Durch den Wegfall der klassischen Begegnungspunkte im Unternehmen ist es meiner Meinung nach essentiell, Ersatzmöglichkeiten für die Akklimatisierung zu schaffen. Dazu bieten sich beispielsweise regelmäßige kurze Termine zum Austausch mit den Kollegen an, bei denen nicht nur gefachsimpelt, sondern auch ein privater Austausch ermöglicht wird.

Deutschland ist ein Land des Datenschutzes. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern wird das berufliche und private Leben sehr strikt getrennt und das ist meiner Meinung nach im Normalfall auch in Ordnung. Aus dieser Tradition und dem instabilien Breitband heraus hat sich in Deutschland eine starke und deutliche Abneigung gegen Videokonferenzen mit Bild (sic!) entwickelt. Nicht selten bestehen Zoom-, WebEx-, Jitsi- oder Teams- Gespräche aus einer Wand von Initialen und einer Menge unbekannter Stimmen. Es mag trivial erscheinen, aber für neue Kollegen ist das wenig hilfreich.

Deshalb halte ich es für einen relevanten Faktor, wenn alle Beteiligten über Ihren Schatten springen und ihr Video aktivieren. Es ist einfach deutlich angenehmer, mit einem Menschen zu interagieren als mit einer Kachel voller Buchstaben. Natürlich kann ich verstehen, dass viele Menschen ihren Kollegen keine Einblicke in ihre Wohnungen geben möchten, doch dafür gibt es bei fast allen Meetingtools inzwischen die Möglichkeit, den Hintergrund mit einem Weichzeichner unkenntlich zu machen.

In diesem Sinne: Digital first, Bedenken second!


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