„Deutschland. Aber normal.” – Rechtspopulistische Identitätspolitik

Die AfD rückt weiter nach rechts – das war auch auf ihrem diesjährigen Bundesparteitag zu sehen.

Ein braunes Superspreader-Event – das wäre eine akkurate Bezeichnung für den diesjährigen AfD-Parteitag in Dresden. Die “Alternative” für Deutschland rückt weiter nach rechts – soweit nicht überraschend. Der “Flügel” um den Faschisten Höcke gewinnt weiter an Einfluss – soweit nicht überraschend. Was für ein Blödsinn aber im Endeffekt beschlossen wurde, hat mich dann doch überrascht. Wobei – den Anspruch, ernst genommen zu werden, hat die AfD spätestens mit dem Einzug in den Bundestag aufgegeben.

“Deutschland. Aber normal.” Mit diesem Slogan möchten die Rechtspopulisten in den Bundestagswahlkampf ziehen. In Wahlwerbespots werden unscharfe Super-8-Aufnahmen gezeigt, herzerweckende Familienszenen und Strandaufnahmen unterstrichen durch Geigenmusik im Hintergrund. Auf der Suche nach dem “normalen Deutschland” begibt sich die AfD in die heile Welt der 60er Jahre – so scheint es zumindest. Der Ausweg aus der höllischen Moderne, das sind angeblich Klimademonstrationen und Antifa-Proteste, wird im letzten Jahrhundert gefunden. Ein romantisiertes Bild der Vergangenheit und eine höchst -einseitige Betrachtung der Wirklichkeit, positioniert als Freund-Feind-Gegensätze, sollen dem Zuschauer die Augen öffnen. Man soll merken, “dass normal eigentlich etwas ganz besonderes ist”, wie das Voiceover betont.

Wie geschickt, die “normalen Bürger” sind jetzt also etwas Besonderes und können sich in ein Kollektiv einordnen, das der verrückten Moderne gemeinsam den Kampf angesagt hat. Es ist die rechtspopulistische Form der Identitätspolitik, die die Gesellschaft in zwei Gruppen einzuteilen versucht. “Normal ist das, was wir alle wieder brauchen”, erklärt die AfD und bietet sich als Doktor für das deutsche Wesen an; die Medizin ist ein Schritt zurück, zurück in die gute alte Zeit. Heimat, Nächstenliebe, sichere Grenzen und saubere Straßen, die AfD bestimmt, was “normal” ist. Die deutsche Erinnerungskultur, unsere plurale und vielfältige Gesellschaft findet in einer solchen Aufzählung keinen Platz – wieso auch? Folgt man dem Programm der AfD, dann fallen Homosexuelle oder Einwanderer ohnehin meistens aus der Kategorie der “normalen Menschen” heraus. Normal, das sind Ehen mit Mann, Frau und Kind. Normal ist auch nur, wer die Europäische Union ablehnt und vor Ausländern grundsätzlich Angst hat.

Apropos Ausländer: “Wofür mein Vater damals nach Deutschland kam? Für deutsche Leitkultur” plakatiert die AfD in einem anderen Kampagnenfilm. Das ist lustig, denn wenn es nach der AfD geht, soll eigentlich niemand nach Deutschland einwandern. 5 Millionen Euro, so viel Geld muss man auf dem Konto haben, wenn man in Deutschland seine neue Heimat finden möchte. Was wie ein Scherz klingt, wurde tatsächlich so beschlossen. Und dann durch Einwirkung der Parteiführung wieder rückgängig gemacht – scheinbar hatte niemand den Änderungsantrag gelesen. In einem anderen Absatz wird der Fachkräftemangel geleugnet, ein “konstruiertes Narrativ der Industrie- und Wirtschaftsverbände sowie anderer Lobbyvereine”, so heißt es. Familiennachzug müsse gestoppt werden, auch Grenzkontrollen brauche es wieder. Mit “physischen Barrieren” soll Abhilfe geschaffen werden, eine billige Nachahmung von Trumps “Build the wall!”.

Auch der Chef des (faschistischen) “Flügel”, Björn Höcke, legte einen interessanten Auftritt hin. So erläuterte der thüringische Lehrer in sehr philosophischer Manier, dass man zwischen der politischen und der rechtlichen Sphäre unterscheiden müsse, wenn Anträge beschlossen werden. Ob eine solche Aussage von einem kommunistischen Revolutionär oder einem faschistischen Anführer kommt, spielt an dieser Stelle eigentlich keine Rolle mehr. Das Werben mit dem Grundgesetz ist bei der AfD ohnehin nur noch Fassade. Das hat dieser Parteitag einmal mehr gezeigt.


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