Ohne Witz: Die Welt hat ziemlich harte Jahre hinter sich. An eine zweieinhalbjährige Pandemie, deren absolutes Ende noch immer nicht erreicht ist, schließt sich nun der erste innereuropäische Krieg seit dem Zerfall Jugoslawiens an. Im Zuge all dessen wurde privates und öffentliches Leben beschnitten wie nie zuvor in jüngster Geschichte. Unter den Kollateralschäden der Pandemie war neben allgemeiner Freizügigkeit und Sozialkontakten aber auch ein etwas weniger offensichtlicher Faktor: Der Humor.
Über deutschen Humor, seine Existenz, geschweige denn seinen Wert lässt sich natürlich streiten. Doch was man eigentlich sonst als solchen bezeichnet hätte, hat unter Corona definitiv gelitten. Corona hat kaum jemanden nicht irgendwie getroffen, geschädigt oder zumindest massiv eingeschränkt. Die Pandemie hat Menschen vor eine in jüngerer Erinnerung nie dagewesene Herausforderung gestellt – uns als Gesellschaft und Individuen an vielen Punkten ratlos gemacht und überfordert. Eine der üblichsten menschlichen Reaktionen auf Stress, Überforderung und Hilf- und Aussichtslosigkeit sind Witz, Sarkasmus und Ablässigkeit.
Schadenfreude, falls jemand unglücklich stürzt, bevor wir helfen können, die bissigen sarkastischen Kommentare eines geschädigten Selbstbewusstseins, das in die Defensive geht, die abfälligen Sprüche über den Chef am Ende eines harten Arbeitstages. All das ist eigentlich Teil unseres Alltags. Zwar oft verschmäht, doch verständlich: In widrigen Umständen braucht es Coping-Mechanismen, um unsere Psyche reinzuhalten – um Katharsis zu erlangen. Doch irgendwie hat es in den letzten Jahren nicht gefruchtet.
Trotz größter Not, schleichender Verzweiflung und Einsamkeit war der große fette Elefant im Raum – Corona – in humoristischer Hinsicht irgendwie Tabu. Witze über Corona, die eigentliche Lächerlichkeit der Gesamtsituation etc. waren nicht gern gehört und wurden dementsprechend nicht gemacht. Das mag viele Gründe haben. Coronas schleichende statt plötzlicher Belastung und die gesellschaftliche, politische und irgendwie auch „räumliche“ Omnipräsenz haben sicher ihren Teil beigetragen. Die Sorge darum, Betroffene zu verletzen oder in einer gespaltenen Gesellschaft die eigene oder andere Seite zu weit auf die Barrikaden zu bringen, mag wohl den Witz geraubt haben. Und damit uns eines unserer wichtigsten Ventile, um uns vor der unter- und „überschwelligen“ Verzweiflung einer Pandemie frei zu machen.
Doch nun wurde der humoristischen Dürre ein trauriges, ironisches Ende gesetzt. Mit dem plötzlichen Rutsch vom Regen Coronas in die Traufe Putins scheint der unbezwingbare Geist der belagerten UkrainerInnen das ganze Internet neu entfacht zu haben. An vorderster Front die rege zivile Beteiligung am Informationsaspekt des Krieges sowie eine resiliente Meme-Freudigkeit die ihresgleichen sucht. In der dunkelsten Stunde des Landes werden witzige TikToks über das Leben im improvisierten Bunker gedreht und Bilder ukrainischer Traktoren, die russische Panzer, Flugzeuge und Regierungsgebäude abschleppen, gepostet bis die Leitungen glühen.
Es ist nicht so, als könne Putins wahnwitzige Invasion deutsche Verdrossenheit heilen und im Angesicht der globalen Gefahr könnte und sollte sich auch wirklich niemand darüber freuen. Worüber man hingegen froh sein kann, ist die unbeschreibliche Resilienz der UkrainerInnen. Sie lassen im Angesicht des Terrors nicht davon ab, ihren Aggressor on- und offline bis auf die Knochen zu demütigen, gewinnen Sympathien und UnterstützerInnen und halten ihre Köpfe hoch erhoben. Natürlich ist klar, dass diese Krisen in Auslöser und Intensität kaum zu vergleichen sind. Was aber bleibt, ist der berechtigte, unbeschreibliche Respekt der Weltgemeinschaft gegenüber der Tapferkeit der UkrainerInnen – an allen Fronten.
Slawa Ukrajini.
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