Der wahre Mindestlohn liegt immer bei null

Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Warum der in Europa weit verbreitete Mindestlohn nicht hält, was er verspricht, den Arbeitsmarkt negativ beeinflusst und daher unverzüglich abgeschafft werden sollte.

Nur für wenige Maßnahmen wird so fehlerhaft argumentiert, wie für den gesetzlichen Mindestlohn. Dieser wird in vielen Staaten von einer großen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt (z.B. 86% in Deutschland1), die ihn am liebsten auch gleich in exorbitante Höhen treiben würde. Über negative Effekte sind wohl die wenigsten informiert, auch, weil Argumente gegen den Mindestlohn von Vertretern politischer Parteien oft wenig pointiert vorgebracht werden. Befürworter hingegen können sich das mangelnde ökonomische Grundwissen der Gesamtbevölkerung zu Nutze machen und heiter mit kruden Behauptungen um sich werfen.

Wie sich Löhne bilden

Die ÖsterreicherInnen sollen von ihrer Arbeit gut leben können. Preissteigerungen und Belastungen wie zum Beispiel hohe Wohnkosten beanspruchen einen immer größeren Anteil des monatlichen Einkommens – zum Leben bleibt immer weniger. Deshalb legt die SPÖ ein Paket vor, mit dem sich arbeiten in Zukunft mehr auszahlt: Ein Mindestlohn von 1.700 Euro (Anm.: Brutto pro Monat) österreichweit.

https://www.spoe.at/wp-content/uploads/sites/739/2019/09/Arbeit_Mindestlohn.pdf

Dieser Ausschnitt aus dem Wahlprogramm der Sozialdemokratischen Partei Österreichs lässt vermuten, dass der Mindestlohn eine Art Wundermittel sei. Für steigende Löhne sei nach dieser Auffassung natürlich der Staat verantwortlich, der den Bürgern in Zukunft 1.700 Euro gönnen soll. Warum eigentlich nicht mehr? Das fragt sich wohl auch die SPÖ von Zeit zu Zeit – vor zwei Jahren wurden nur 1.500 Euro gefordert.

Wer mit Ausführungen wie der obigen etwas anfangen kann, hat höchstwahrscheinlich ein verzerrtes Bild von Lohnbildung und glaubt an ein extrem unausgeglichenes Machtverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Würde sich nicht der Staat schützend mit Maßnahmen wie einem Mindestlohn dazwischenstellen, könnten Letztere mit ihren Angestellten umgehen, wie sie wollen. Dass das von der Realität weit entfernt ist, zeigt allein die Tatsache, dass in der Schweiz, wo kein gesetzlicher Mindestlohn existiert, die höchsten Löhne Europas gezahlt werden. Denn Arbeit unterliegt, wie andere Waren auch, dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Arbeitgebern ist es daher nicht möglich, willkürlich niedrige Löhne zu zahlen – sie müssen nämlich im Wettbewerb mit anderen um Arbeitskraft bieten. Zusätzlich können sich Arbeitnehmer in Gewerkschaften zusammenschließen, um so ihre Verhandlungsposition zu stärken.

Mindestlohn und Arbeitslosigkeit

Da Arbeit, wie festgestellt, den Gesetzen von Angebot und Nachfrage unterliegt, zeigen Preiskontrollen auch in diesem Fall eine negative Wirkung. Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung ergeben, dass der 2015 in Deutschland eingeführte Mindestlohn bisher zwischen 129.000 und 594.000 Arbeitsplätzen gekostet hat23. Und das, obwohl er bisher von einer Kommission relativ konservativ festgelegt und vom Überbietungswettbewerb linker Parteien verschont wurde.

Besonders schwerwiegende Auswirkungen dürfte ein Mindestlohn auf die Jobaussichten der jüngeren Bevölkerung haben. Das ist logisch, da gerade in den ersten Berufsjahren aufgrund von mangelnder Erfahrung der Lohn oft geringer ist. Der Zusammenhang wird von Studien belegt. So wird z.B. dem französischen Mindestlohn große Mitschuld an der dortigen Jugendarbeitslosigkeit von rund 20% gegeben (z.B. Gorry, 2013).

Der Mindestlohn sorgt also dafür, dass (je höher, desto dramatischer) viele Menschen im Endeffekt nicht mehr, sondern gar nichts verdienen. Oder, wie Thomas Sowell es perfekt auf den Punkt bringt: „Der wahre Mindestlohn liegt immer bei null“. Denn wer als Arbeitnehmer keinen Mehrwert über dem Mindestlohn schaffen kann, wird auch keinen Arbeitsplatz finden. Der Staat verbietet seine beste Alternative und zwingt ihn in die Arbeitslosigkeit sowie in das Sozialsystem. Warum das Argument, das in etwa lautet: „Unternehmen, die den Mindestlohn nicht zahlen können, haben keine Existenzberechtigung“, besonders zynisch ist, wird damit schnell klar. Zugrunde gehen würden nicht nur die Unternehmen, sondern auch deren angebotene Jobs.

Ein angemessenes Einkommen ohne Mindestlohn

Kritiker würden nun einwerfen, dass nur der Mindestlohn garantiert, dass jeder von seiner Arbeit leben kann. „Unmenschlichen“ Löhnen (von denen man für gewöhnlich in anderen Ländern nur träumen könnte), sei im Zweifelsfall die Arbeitslosigkeit samt staatlicher Transferleistungen vorzuziehen. Und fairerweise muss man zugeben, dass sofern ein Mindestlohn Arbeitslosigkeit hervorruft, Teile der Bevölkerung ohne ihn unter der zuvor festgelegten Grenze verdienen würden.

Doch um dasselbe Lohnniveau beizubehalten, könnte der Staat Einkommen unter einer gewissen Grenze einfach aufstocken. Das wohl bekannteste Konzept hierfür ist die negative Einkommenssteuer – eine Idee, für die linke Parteien schon längst einstehen würden, wenn sie sinnvolle und effektive Sozialpolitik verstünden. Bis zu einem festgelegten Betrag würden Arbeitnehmer nicht nur keine Einkommenssteuer zahlen, sondern etwas dazubekommen. Der Zuschuss würde mit mehr Gehalt zwar immer kleiner, jedoch in einer Proportion, in der jedem im Endeffekt bei höherem Verdienst auch mehr zur Verfügung stünde. Das, was liberale Parteien oft „Bürgergeld“ nennen, könnte also ein gewisses Lohnniveau sichern, durch die Möglichkeit von Zuverdienst die richtigen Anreize setzen, und nicht nur für Arbeitslosigkeit sorgen. Ohne zu zögern sollte der Mindestlohn, wo er existiert, abgeschafft und seinen negativen Effekten sowie dem drohenden Überbietungswettbewerb ein Ende gesetzt werden.


Der Gastbeitrag spiegelt die Meinung des Gastautors wider.


Gastautor
  1. https://www.dgb.de/schwerpunkt/mindestlohn/hintergrund/umfragen[]
  2. https://www.ifo.de/publikationen/2020/aufsatz-zeitschrift/bilanz-nach-fuenf-jahren-was-hat-der-gesetzliche-mindestlohn[]
  3. Anm.: Die Zahl bezieht sich auf zusätzliche potentielle Jobs, die nicht geschaffen wurden, nicht auf die generelle Entwicklung der Arbeitslosigkeit.[]

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