Tödliche Schuldenspirale

In diesem Jahr trat Olaf Scholz mit der Forderung an die Öffentlichkeit, die Altschulden der Kommunen zu übernehmen, die am tiefsten in den roten Zahlen stecken. Diese Forderung traf auf breite Zustimmung – insbesondere die entsprechenden Kommunen würden so einen Ausweg aus ihrem jahrelangen Missmanagement finden.

Es ist durchaus richtig, dass für gewisse Kommunen die Situation nicht gerade fair ist, da einige Regionen in Deutschland deutlich strukturschwächer sind als andere. Zudem besteht keine Balance zwischen den kommunalen Einnahmen durch Steuern und Abgaben und den immer größer werdenden Ausgaben, die Kommunen schultern müssen. Dieses Problem könnte zum Beispiel durch eine Steuerreform angegangen werden. Die Einnahmen sollten zwischen Bundesebene, Landesebene und kommunaler Ebene anders verteilt werden.

Definitiv falsch ist es allerdings, Schulden von Kommunen zu vergemeinschaften, wie die Historie solcher Vorhaben klar zeigt.

Ein altes Problem

Eine immer größere Ausgabenbelastung bei gleichbleibenden oder sogar sinkenden kommunalen Einnahmen hat einige Kommunen über die letzten Jahrzehnte massiv in finanzielle Bedrängnis gebracht. Hinzu kommt oft massives Missmanagement der Kommunalpolitik vor Ort, was insbesondere in strukturschwachen Regionen zu Problemen führt.

In einigen Bundesländern hat die Verschuldung der Kommunen massive Ausmaße erreicht, welche die Handlungsfähigkeit der Entscheidungsträger vor Ort massiv einschränkt. So haben die Kommunen Nordrhein-Westfalens zusammen mehr als 50 Milliarden Euro Schulden angehäuft.1 Auch andere Bundesländer haben eine massive Verschuldung auf kommunaler Ebene. Insgesamt lag der Schuldenstand aller bundesweiten Kommunen im Jahr 2017 bei 137,5 Milliarden Euro.2

Daher erscheint es natürlich zuerst einmal logisch, dass der Bund diesen Kommunen weiterhilft und ihnen so ein gewisses Maß an Handlungsfähigkeit zurückgibt. Allerdings sind solche Schuldenvergemeinschaftungen brandgefährlich und haben das Potenzial, für eine noch größere Schuldenexplosion in Zukunft zu sorgen – eine fatale Spirale, die in einer immer größeren Schuldenlast endet.

Schuldenvergemeinschaftung ist keine Lösung

Alexander Hamilton, der erste Finanzminister der USA, übertrug im Jahre 1790 die Schulden der einzelnen Bundesstaaten auf nationale Ebene und machte sie zu Bundesschulden . Der Grund war durchaus nachvollziehbar – es waren Schulden aus dem Unabhängigkeitskrieg von 1775 bis 1783 gegen die Briten. Auch im Rahmen des zweiten Kriegs gegen die Briten 1814 bis 1816 wurde diese Übertragung der Schulden durchgeführt.

Die Folgen dieser Vergemeinschaftung der Schulden waren fatal! Sowohl die Bundesstaaten als auch ihre Gläubiger gingen davon aus, dass auch zukünftige Schulden bundesweit vergemeinschaftet würden. Dies führte zu einer sehr starken Aufnahme von Krediten, dem Eingehen von großen Risiken und kaum Bemühungen zu einem soliden Wirtschaften der Bundesstaaten. Auch die Gläubiger waren viel stärker bereit, Kredite zu relativ niedrigen Zinsen zu vergeben.

Die dadurch immer stärker steigende Verschuldung der Bundesstaaten wurde zur großen Bedrohung. Erste bundesweite Hilfen konnten nur vorläufig die Situation entschärfen. Im Jahr 1941 erklärten die Bundesstaaten Florida, Mississippi, Arkansas und Indiana ihre Zahlungsunfähigkeit. In den folgenden Jahren gerieten weitere Staaten in große Probleme. Die Sozialisierung der Schulden endete in einem verantwortungslosen Kurs der einzelnen Bundesstaaten, der für neun der damals 29 Bundesstaaten zum Konkurs führte.

Infolgedessen wurden Schuldengrenzen für Bundesstaaten eingeführt und eine Vergemeinschaftung der Schulden auf Bundesebene ausgeschlossen. Dies führte zu deutlich höheren Zinsen bei der Kreditaufnahme für die einzelnen Bundesstaaten, schloss aber weitere katastrophale Verschuldungen aus, da es die einzelnen Bundesstaaten in die Eigenverantwortung nahm.

Auch in Deutschland würde eine Übernahme der Altschulden verantwortungsloses Verhalten belohnen und schlechtes Wirtschaften folgenlos machen. Deshalb ist der Vorschlag von Olaf Scholz der sichere Weg in massive Schuldenexzesse und würde das Ende des soliden Wirtschaftens auf kommunaler Ebene in Deutschland bedeuten. Falls einzelnen Kommunen ohne Hilfe des Bundes nur der Konkurs bleibt, so ist dies trotzdem die beste Lösung.

Strukturelle Reformen sind die Lösung

Die Pläne von Olaf Scholz, leichtfertig Steuergelder zu verbrennen und schlecht wirtschaftende Kommunen aus der Verantwortung zu nehmen, greift die Integrität unserer föderalen Struktur an und würde jahrzehntelange toxische Folgen nach sich ziehen, die wesentlich schlimmer wären als lediglich eine hohe Schuldenlast.

Wenn man ein Steuersystem so umgestaltet, dass diese Kommunen sich durch eigene Einnahmen selbst helfen können, ist dies die deutlich bessere Lösung. Und wenn es einer Kommune nicht gelingt, solide zu wirtschaften, ist das ihr eigenes Problem und sollte das auch bleiben. Auf Bundesebene dürfen hier keine speziellen Gelder zum Abbezahlen dieser Schulden bereitgestellt werden.

Eine Möglichkeit wäre sicherlich, einzelne Steuern und Abgaben stärker auf kommunale Ebene zu verteilen bzw. die Kommunen auf der Ausgabenseite zu entlasten. Das wäre deutlich nachhaltiger als eine Schuldenvergemeinschaftung oder ein Schuldenerlass, wie er von Olaf Scholz geplant ist. Hilfe zur Selbsthilfe muss die Lösung sein, nicht eine Übernahme von kommunalen Schulden aus jahrelangem schlechten kommunalen Management. Die Kommunen müssen nach wie vor die Verantwortung für ihr Handeln voll tragen und Schulden sollten nicht einfach von Dritten (hier dem Bund) übernommen werden. Sonst steigt man wirklich in eine tödliche Schuldenspirale ein, die kein Ende finden würde.

Falls die geplante Schuldenübernahme wirklich durchgeführt würde, wäre dies ein finanzpolitischer Tabubruch, der die Haushalte deutscher Kommunen auf Jahrzehnte massiv schädigen würde. Es ist mehr oder weniger ein Wahlkampfgeschenk, von welchem Olaf Scholz in seiner Amtszeit niemals die wirklichen Kosten zu tragen hätte. Eine langfristige, nachhaltige Lösung wäre hier gefragt und keine Schuldenvergemeinschaftung, die auch aus historischer Sicht in dieser Form zum Scheitern verurteilt wäre.

  1. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2307/umfrage/schulden-der-gemeinden-nach-bundeslaendern/[]
  2. https://www.iwkoeln.de/studien/iw-reports/beitrag/martin-beznoska-tobias-hentze-verschuldung-der-kommunen-in-deutschland.html[]

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