Mindestbesteuerung für Unternehmen – weltweite Steuergerechtigkeit?

Joe Bidens Finanzministerin Janet Yellen hat mit ihrem Vorstoß zu einem globalen Minimalsteuersatz für Unternehmen für große Diskussionen gesorgt. Können so Steueroasen trockengelegt und weltweite Steuergerechtigkeit erreicht werden? Oder handelt es sich um einen kartellähnlichen Zusammenschluss von Staaten, durch den unkontrollierbare weltweite staatliche Macht droht?

Joe Biden hat bereits zu Beginn seiner Amtszeit mit dem Biden Stimulus und seinem Infrastrukturplan billionenschwere politische Programme gestartet. Doch damit nicht genug: Er und seine Finanzministerin Janet Yellen haben sich dafür ausgesprochen, die Regelungen zu den Unternehmenssteuern stark zu überarbeiten. So soll unter anderem die Besteuerung von Unternehmensgewinnen von 21% unter Trump auf 28% unter Biden angehoben werden. Außerdem spricht sich die neue US-Regierung für einen globalen Mindeststeuersatz aus, um den weltweiten Steuerwettbewerb einzuschränken.

Auch wenn die geplante nationale Erhöhung der Steuer für Unternehmensgewinne nicht offiziell für Bidens Infrastrukturplan eingeplant ist, so kann man diese durchaus als Gegenfinanzierung sehen. Der höhere Steuersatz würde den USA in den nächsten 15 Jahren etwa 2,5 Billionen Dollar Mehreinnahmen sichern – ein wichtiger Schritt für Biden, um seinen 2 Billionen Dollar teuren Infrastrukturplan finanzieren zu können. Ein Steuersatz von 28% stellt zudem keinen unfassbar hohen Wert dar, wurden Unternehmensgewinne doch vor Trumps Steuersenkungsprogramm mit 35% besteuert. Letztendlich dreht die Regierung Biden hier die Uhren nur halb zurück, sodass man nicht von einem völlig neuen Belastungslevel für US-amerikanische Unternehmen sprechen kann.

Der zweite Teil von Bidens steuerpolitischen Plänen sieht die Vereinbarung eines globalen Mindeststeuersatzes von 21% vor, um Steuervermeidung von multinationalen Konzernen in Zukunft zu vermeiden. Relativ zum Bruttoinlandsprodukt sind die eingenommenen Unternehmenssteuern in den USA relativ gering, machen sie doch nur 1% des BIP aus. Im Vergleich dazu liegt dieser Wert in Deutschland und Frankreich bei 2%, in Kanada und Japan sogar bei 4%. Zum Beispiel haben laut dem Think-Tank The Institute on Taxation and Economic Policy 55 große Unternehmen in den USA auf Bundesebene keine Steuern gezahlt und gleichzeitig einen Gewinn von einen Gewinn von 40 Milliarden Dollar erwirtschaftet . Die Motivation für Bidens steuerpolitische Pläne ist also klar.

Nationaler Dissens – internationale Einigkeit

Bidens Pläne bräuchten selbstverständlich die Unterstützung des Kongresses. Die Demokraten halten sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus lediglich knappe Mehrheiten, sodass eine große innerparteiliche Einigkeit sehr wichtig wäre. Insbesondere müsste ein solches Mindestbesteuerungsabkommen erst auf globaler Ebene verhandelt werden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Mindeststeuersatz von 21% auf globaler Ebene mehrheitsfähig wäre, falls es überhaupt zu einer Einigung käme. Eine weichere Regelung dürfte jedoch insbesondere Parteilinken der Demokraten nur schwer zu verkaufen sein.

Richard Neal, bedeutender Steuerpolitiker der Demokraten, hat bereits über ein Statement seines Sprechers seine Unterstützung zugesagt. Im Gegensatz dazu stoßen Bidens Pläne bei Republikanern durchweg auf deutlichen Gegenwind. Der Republikaner Kevin Brady äußerte sich zu Bidens steuerpolitischen Vorschlägen sehr kritisch: „Das Ergebnis dieser Reformen würde einen deutlichen Wettbewerbsnachteil für US-amerikanische Arbeiter und Unternehmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten bedeuten.“

Bidens steuerpolitische Pläne könnten als Teil eines eigenen „America First“- Programms gesehen werden, dass stärker auf globale Abkommen statt nationaler Isolierung wie unter seinem Vorgänger Trump setzt. Letztendlich haben die Steuersenkungen Trumps und die Ideen Bidens zu einer globalen Mindestbesteuerung ein klares Ziel: Arbeitsplätze und Einnahmen in den USA zu halten, die aufgrund der Fliehkräfte der Globalisierung in andere Länder abzuwandern drohen. Es könnte ein entscheidender Schritt sein, um Globalisierungskritiker, die bisher eher der protektionistischen Wirtschaftspolitik der Republikaner zugewandt waren, bei den Mid -Terms 2023 und den Präsidentschaftswählen 2025 für die Demokraten zu gewinnen. Die Republikaner dürften ernsthafte Probleme bekommen, falls Bidens Rechnungt aufgeht und er sowohl die bessere „America First“- Strategie liefert als auch auf globaler Ebene bessere Deals als der angeblich herausragende Dealmaker Donald Trump aushandelt.

Auf internationaler Ebene treffen Bidens Vorschläge durchaus auf Gegenliebe. Die OECD verhandelt bereits seit über einem Jahrzehnt über globale Steuermodelle, um Steuervermeidung von multinationalen Konzernen zu vermeiden. Insbesondere aus Frankreich und Italien kamen sehr wohlwollende Stimmen. Der italienische Premierminister Mario Draghi hat bereits angekündigt, er stehe „vollkommen hinter den Vorschlägen der USA für eine globale Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen“. Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich mit Frankreich und Italien ausgerechnet zwei Länder derart positiv äußern, die bereits über eine Digitalsteuer internationale Tech-Konzerne stärker besteuern. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire kündigte bereits an, dass er sich eine Einigung zu einer Digitalsteuer und einer globalen Mindestbesteuerung wünsche, bevor Frankreich die aktuellen nationalen Besteuerungsregelungen aufhebt.

Das deutsche Finanzministerium äußerte sich deutlich zurückhaltender zu Bidens Plänen, signalisierte allerdings grundsätzliche Zustimmung: „Die konstruktive Haltung der neuen US-Regierung ist ein entscheidender Schritt, der es deutlich einfacher machen wird, eine Regelung zu finden, um die Digitalwirtschaft zu besteuern. Die deutsche Bundesregierung ist zuversichtlich, dass bis Mitte 2021 eine Einigung erzielt werden kann.“ Auch die Regierung in Großbritannien äußerte sich vorsichtig, aber zuversichtlich, dass es bereits bald zu einer globalen Einigung kommen könnte.

Diese Einigung der wichtigsten Volkswirtschaften der Welt wäre auch dringend notwendig, denn Joe Biden ist zumindest auf die Unterstützung der G20 für seine globalen Steuerpläne angewiesen. Kritische Stimmen kommen unter anderem von Unternehmensverbänden. Robert Atkinson, Präsident des Tech-Think-Tanks Information Technology and Innovation Foundation warnte, der Vorschlag sei „nicht nur diskriminierend, da er spezielle Firmen für eine höhere Besteuerung auswählt, sondern auch konträr zu den Interessen der USA, da die meisten Steuern auf US-Tech-Konzerne für Geschäftstätigkeiten in anderen Ländern erhoben würden.“

Bidens Pläne kommen nicht ohne Probleme

Kritisch ist auch anzumerken, dass eine solche Einigung zwischen den mächtigsten Volkswirtschaften der Welt einen weltweiten Steuerwettbewerb fast unmöglich machen würde. Insbesondere Entwicklungsländer mit einer schwächer ausgebauten Infrastruktur könnten nicht mehr durch einen geringeren Steuersatz Wettbewerbsvorteile erlangen. Das könnte die weitere Entwicklungsfähigkeit dieser Volkswirtschaften deutlich einschränken, da diese Länder für globale Konzerne nun deutlich unattraktiver würden. Allerdings muss man an dieser Stelle anmerken, dass kleine Länder oder Territorien wie Hong Kong oder Bermuda oftmals am meisten von den derzeitigen Steuerregelungen profitieren. Transaktionen innerhalb von Firmen machen in diesen Ländern und Territorien im Durchschnitt 40% der Umsätze  aus. Solche Transaktionen werden oft dazu verwendet, um Umsätze und Gewinne auf der globalen Bühne von einem Land ins andere zu verschieben – fast immer, um Unternehmenssteuern zu sparen.

Ein weiteres Problem wird die Schwierigkeit einer Einigung sein. Selbst die EU hat es bis heute nicht geschafft, mit dem als Steueroase geltenden Irland ein Abkommen zu erzielen, das die Steuervermeidung innerhalb der EU einschränkt. Auf der globalen Bühne der G20 dürfte es noch schwieriger sein. Falls nur wenige Staaten an einer solchen Einigung beteiligt wären, könnten neue Steueroasen für wirtschaftliche Tätigkeiten geschaffen werden. So wird bereits heute befürchtet, dass die großen US-Pharmakonzerne einen Großteil ihrer unternehmerischen Tätigkeit in die Schweiz verlegen könnten.

Es ist außerdem fraglich, ob wir wirklich ein Race to the Bottom erleben oder einfach nur einen sehr starken Wettbewerb. In unserem hauseigenen Podcast Lunch Meeting äußerte der Ökonom Jan Schnellenbach entsprechende Bedenken. Er argumentiert, dass der harte Steuerwettbewerb zwischen den schweizerischen Kantonen zwar durchaus zu unterschiedlich hohen Steuersätzen führe, von einem Race to the Bottom allerdings nicht die Rede sein könne. Es ist in der Tat fraglich, ob derartige Mindeststeuersätze wirklich notwendig sind.


#10 – Jan Schnellenbach über Bidens Reformpläne, Föderalismus vs. Zentralismus
#10 – Jan Schnellenbach über Bidens Reformpläne, Föderalismus vs. Zentralismus
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Neben der Notwendigkeit stellt sich die Frage der Durchsetzbarkeit dieser Vorschläge. Wie kann auf globaler Bühne kontrolliert werden, ob sich Länder an diese Regelung halten? Ist das Risiko nicht groß, dass einige Länder den Mindeststeuersatz umgehen, um unternehmerische Tätigkeit für die eigene Volkswirtschaft anzulocken?

Eine weitere Sorge: Einigen Stimmen zufolge könnten derartige globale Einigungen zu einer starken Zentrierung der Macht führen, die einer Weltregierung gleichkommen würde, da der Mindeststeuersatz – einmal etabliert – nun beliebig erhöht werden könnte. Ein zugegebenermaßen schwaches Argument, da bei derartigen völlig ausufernden Steuererhöhungen die Länder nicht mehr in ihrem eigenen Interesse handeln würden. Sieht man Verhandlungen auf globaler Bühne im Kontext der Spieltheorie, so wird man schnell erkennen, dass eine völlig ausufernde Besteuerung von Unternehmensgewinnen kaum das Ergebnis solcher Verhandlungen sein würde. Genauso wie die Annahme eines Race to the Bottom zum Steuersatz 0% über eine gewisse Zeit hinweg, wirken solche Ängste irrational.

Kann ein Mindestbesteuerungsabkommen funktionieren?

Man kann sagen, dass derartige globale Abkommen nicht grundsätzlich eine schlechte Idee sind. Insbesondere multinationalen Konzernen stehen im Gegensatz zu kleineren Unternehmen besondere Steuervermeidungsstrategien zur Verfügung. Gerade der Liberalismus muss nicht nur ein Interesse an der Beschränkung der Macht von Staaten, sondern auch der Beschränkung der immer stärker anwachsenden Macht von globalen Konzernen haben.

Das darf allerdings nicht zu Abkommen führen, die handwerklich so schlecht gemacht sind, dass sie am Ziel vorbei schießen. Skepsis, wie hier eine weltweite Einigung zwischen allen wichtigen Staaten erzielt werden kann, ist angebracht – besonders ohne Belohnung oder Strafe. Ich würde es beispielsweise für völlig falsch halten, Freihandelsabkommen an eine solche Mindestbesteuerung von Unternehmen zu knüpfen. Bei einem Klimaclub, der das Überleben der Menschheit sichern soll, ist das für mich durchaus denkbar, doch der Wunsch nach einer globalen Steuergerechtigkeit spielt sicherlich nicht in der gleichen Liga.

Falls ein Abkommen zu einer globalen Mindestbesteuerung beschlossen wird, wären allerdings drei Dinge besonders wichtig: Erstens darf eine solche Regelung keine neuen Schlupflöcher schaffen und muss auch global durchsetzbar und kontrollierbar sein. Zweitens dürfen Entwicklungsländer nicht durch Mindeststeuersätze diskriminiert und an wirtschaftlichem Aufstieg gehindert werden. Und drittens dürfen solche Abkommen nicht zu einer zu starken Zentralisierung von Macht führen – auch wenn Angstszenarien von völlig ausufernden Unternehmenssteuern auf globaler Ebene sicherlich haltlos sind.

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