CDU erweist Rundfunk-Debatte einen Bärendienst

Jüngst forderte die CDU Sachsen-Anhalt die Abschaffung des ARD-Hauptprogramms. Hilfreich in der Debatte um notwendige Reformen bei den Öffentlich-Rechtlichen ist das nicht, schreibt unser Gastautor.

Die CDU Sachsen-Anhalt hat einen medienpolitischen Punkt gesetzt. Wie die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) am vergangenen Montag berichtete, wollen der christdemokratische Medienminister Rainer Robra und die Landtagsfraktion darauf hinwirken, dass „Das Erste“ langfristig verschwinden solle. Was folgt, sind harter öffentlicher Widerspruch der politischen Konkurrenz und ein zurückrudernder Parlamentarischer Geschäftsführer. Die CDU Sachsen-Anhalt hat sich in ihrem medienpolitischen Dilettantismus selbst übertroffen. Ein Dienst an einer dringend notwendigen fundierten Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist das gewiss nicht.

Ja, es ist völlig in Ordnung, eine Debatte um die Einstellung des ARD-Hauptprogramms zu führen. Nein, ich teile diese Idee ausdrücklich nicht. Ein Mindestmaß an Vielfalt muss im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem gegeben sein – und dazu gehören eben zwei starke Hauptprogramme, wie ich finde. Diese wären übrigens gut beraten, den Fokus nicht auf die Unterhaltungssparte rund um Rosamunde Pilcher, sondern auf Bildung, Information und Beratung zu legen.

Rainer Robras Rundfunkvorstoß ist der zweite völlig gescheiterte Versuch der CDU Sachsen-Anhalt, einen medienpolitisch großen Schritt der Länder zu provozieren. Vor gut einem Jahr zog Robras Ministerpräsident Rainer Haselhoff seinen Antrag auf Zustimmung zum Beschluss zur Rundfunkfinanzierung im Rahmen des Medienstaatsvertrags aus dem Landtag zurück. Dieser konnte nicht in Kraft treten, der Kompromiss von 16 Landesregierungen wurde gegenstandslos. Wie zu erwarten, attestierte das Bundesverfassungsgericht Haseloff wenige Monate später, die in Artikel 5 des Grundgesetzes verankerte Rundfunkfreiheit verletzt zu haben.

Wer die ständige Rechtsprechung als Karlsruhe kennt, ist geneigt, „Zurecht!“ zu rufen. Wer einen Auftrag vergibt, seine Finanzierung aber nicht sicherstellt, handelt rechtswidrig. Haseloff nutzte die Debatte um den Rundfunkbeitrag für ein schamloses Wahlkampfmanöver. Es ist kaum vorstellbar, dass er nicht um die Konsequenzen seines Handelns wusste. Eigentlich konnte er angesichts der juristischen Lage nie geglaubt haben, dass er mit seinem Vorstoß erfolgreich wäre. Kalkül oder Dilettantismus? Diese Frage stellt sich nun erneut beim Vorhaben seines Medienministers Robra und vor allem der Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt.

Während in der Rundfunkkommission der Länder die Debatte läuft, Sender in die Flexibilisierung zu geben, also nicht mehr verpflichtend im Staatsvertrag zu beauftragen, platzt in Magdeburg die Idee von Robra in die Öffentlichkeit, das ARD-Hauptprogramm loszuwerden. Kann man machen. Allerdings dokumentiert nur wenige Stunden später der Parlamentarische Geschäftsführer der christdemokratischen Fraktion in der MZ, worum es eigentlich geht: „Wir sind der Meinung, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk oft Minderheitenmeinungen stärker vorkommen als die Meinung der Mehrheit“, wird Markus Kurze dort zitiert. Das ist keine Debatte über die Struktur, sondern eine Kritik an der journalistischen Arbeit des Senders.

Und da wird es spannend. Es drängt sich der Eindruck auf, als wolle die CDU Sachsen-Anhalt ein Programm abschaffen, das ihr aus inhaltlichen Gründen nicht gefällt. Wer so agiert, begibt sich auf sehr dünnes Eis. Ein solcher Versuch erweckt fast schon den Eindruck der Zensur: Wenn ihr nicht sendet, wie wir das wollen, machen wir den Laden dicht! Und eine solche Attitüde steht einer regierungstragenden Fraktion alles andere als gut an. Die Pressefreiheit in diesem Land ist ein hohes Gut. Über Struktur und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss dringend diskutiert werden. Eine Reform ist überfällig. Wer eine medienpolitische Debatte aber nur dazu nutzt, einen Punkt im Wahlkampf zu setzen, das Beauftragte finanziell nicht zu unterfüttern oder Sender schließen will, weil ihm der journalistische Inhalt nicht passt, hat dieser Debatte einen Bärendienst erwiesen.


Der Gastbeitrag spiegelt die Meinung des Gastautors wider.


Gastautor

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