Konservative und die seit der Flüchtlingskrise 2015/16 stark aufgekommenen Rechtspopulisten eint ein Grundsatz: Deutschland sei kein Einwanderungsland. Während Konservative Migration so steuern möchten, dass sie möglichst gering gehalten wird, gehen neurechte Kräfte sogar einen Schritt weiter und möchten es nahezu unmöglich machen, nach Deutschland einzuwandern.
Dabei ist spätestens seit der Asyldebatte in den frühen 90er -Jahren klar, dass sich Deutschland seiner Verantwortung in der Welt stellen und Schutz für Asylsuchende bieten muss. Das Erbe aus den hitzigen Debatten der 90er und der Flüchtlingskrise unter Angela Merkel sind allerdings halbgare Integrationskonzepte, kritikwürdige Flüchtlingsdeals (wie beispielsweise mit der Türkei), ein skandalträchtigereuropäischer Grenzschutz Frontex und, insbesondere, nach wie vor kein Einwanderungsgesetz.
Ein erster Schritt wäre es, Einwanderung von Asylsuchenden gesetzlich sauber zu trennen und für beide Wege unterschiedliche Lösungen anzubieten. Doch damit ist es nicht getan. Der sogenannte Spurwechsel würde Asylsuchenden eine Möglichkeit bieten, sich in Deutschland zu integrieren und dauerhaft bleiben zu dürfen. Es ist absolut beschämend, dass im Jahr 2021 immer noch bestens integrierte Menschen aus Deutschland abgeschoben werden! Dies muss lieber heute als morgen ein Ende haben.
Doch das reicht bei Weitem nicht aus. Ohne Asylgesuch ist es sogar noch schwerer, nach Deutschland einzuwandern. Nicht zuletzt, weil dies auch lange das erklärte Ziel der CDU/CSU war, in der Äußerungen von Politikern wie Jürgen Rüttgers, dessen Zitat „Kinder statt Inder“ Berühmtheit erlangt hat, völlig normal waren. Glücklicherweise hört man derartige verbale Ausfälle fast nur noch von der AfD. Aber politisch tut die CDU/CSU nur wenig bis gar nichts, um die Versäumnisse in der Einwanderungspolitik zu korrigieren.
Gerade weil Deutschland ein Land mit einer stark alternden Bevölkerung, einer niedrigen Geburtenrate und einem weit ausgebauten Sozialstaat ist, kann es nur eine wirkliche Antwort geben, wo dieses Land dringend gesuchte Fachkräfte herbekommt: Durch Einwanderung. Staaten wie Kanada und Neuseeland sind seit einigen Jahren zu weltweiten Vorbildern im Schaffen exzellenter Einwanderungschancen geworden – Vorbilder, an denen sich Deutschland orientieren sollte.
Doch nicht nur die wirtschaftliche Komponente spricht für deutlich mehr Einwanderung nach Deutschland. Auch die kulturelle Bereicherung durch Zuwanderung ist unfassbar groß. Vieles von dem, was für meine Generation zur „deutschen Kultur“ zählt, war hier in den 50er- und 60er Jahren noch weitestgehend unbekannt. Es gibt keine deutsche Leitkultur, die man vor Einwanderern beschützen müsste – auch wenn Konservative und Rechte oft derart argumentieren. Diesem Gedankengang liegen oftmals die Ressentiments von Fremdenfeindlichkeit oder sogar Rassismus zugrunde, von denen gerade wir Deutsche aufgrund unserer Geschichte tunlichst Abstand nehmen sollten. Die Kultur eines Landes ist stetig im Umbruch und sie wird von den hier lebenden Menschen bestimmt. Dazu zählen selbstverständlich auch Einwanderer und Asylsuchende.
Machen wir Deutschland endlich zu einem attraktiven Einwanderungsland. Freuen wir uns darüber, dass Menschen zu uns kommen möchten. Und steigen wir, mit starken Angeboten, in den weltweiten Kampf um die klügsten Köpfe ein.
Einer der größten US-Präsidenten der Geschichte, Ronald Reagan, hat ihn seiner oft als Liebesbrief an Einwanderer bezeichneten Rede schön gesagt: „Anyone, from any corner of the Earth, can come to live in America and become an American.“ Dies wäre auch ein gutes Motto für die Zukunft Deutschlands!
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Newsletter keepitliberal.de – die Woche. Meldet euch für unseren Newsletter an und lest meint! exklusiv schon am Samstag – direkt in eurer Inbox.