Individuelle Mobilität, Nachhaltigkeit und Verkehrswende – Eine Frage der Freiheit

Zu Fuß, auf dem Pferde, mit der Bahn, dem Auto, dem Flugzeug oder in naher Zukunft auch mit der Rakete, die Geschichte der menschlichen Mobilität ist eine Geschichte des Wandels, der Innovation und damit auch der Freiheit des Individuums. Doch es braucht keine Raketenwissenschaft, um zu wissen, dass des Deutschen liebstes Kind im Alltag immer noch das Auto ist.

Die Geschichte der Fortbewegung des Menschen ist so alt wie die der Menschheit selbst. Zunächst zu Fuß, dann auf dem Pferd und mit dem Schiff. Später mit der Kutsche, auf dem Rad. Dann kam die Eisenbahn, das Auto, schließlich das Flugzeug. In nicht allzu ferner Zukunft sogar die Rakete, wenn man Gwynne Shotwell & Elon Musk (SpaceX) und Jeff Bezos (Blue Origin) sein Vertrauen an ihre Visionen und Vorhaben schenken will, in 45 Minuten um den halben Erdball reisen zu können. (Die Bavaria One von Söder lassen wir erstmal im Reich der Fantasie.)

Doch es braucht keine Raketenwissenschaft, um zu wissen, dass des Deutschen liebstes Kind im Alltag immer noch das Auto ist. Das des Amerikaners sowieso. Und begibt man sich ins weitläufige Kanada, nach Russland oder Australien, stellt wohl keiner in Frage, dass der moderne Alltag ohne Auto schlichtweg nicht funktioniert. In Schwellenländern hingegen wird es zunehmend zum Symbol, den sozialen Aufstieg geschafft zu haben.

Dennoch wird verbal und teilweise sogar gesetzlich die Axt an genau dieses Transportmittel gelegt. Einige Argumente dafür sind ernst zu nehmen und mit dem Bedürfnis nach individueller Freiheit in Einklang zu bringen. Ein einfach scheinender Weg sind Verbote, Beschränkungen, hohe Kosten. Doch damit lässt sich genau der erwähnte Einklang mit dem Bedürfnis nach individueller Mobilität nicht herstellen.

Der einzige Weg ist das korrekte Setzen von Anreizen und die ergebnisoffene, aber technisch sinnvolle, Förderung von alternativen Antriebsformen und Ideen zur Reduktion der Fahrzeuganzahl in Innenstädten. Das muss geschehen ohne den Bedarf nach einfacher, kostengünstiger, individueller Mobilität zu ignorieren, die auch bei Sturm und Regen funktioniert.

Dabei sind im Wesentlichen drei Felder zu betrachten: Die Bedarf/Kosten/Nutzen-Rechnung (seit der Coronakrise wohl dringlicher denn je), das breite Thema Umwelt/Nachhaltigkeit/Gesundheit und die urbane Problematik des Platzverbrauchs und der Verkehrsdichte.

Wenn man also sachbezogen Lösungen finden will, sollte man hier ansetzen:

1) Bedarf, Kosten und Nutzen

Zunächst ist zu klären, warum Menschen überhaupt ein eigenes Fahrzeug besitzen. Das Spektrum ist hier unfassbar breit und reicht vom reinen Spaßmobil bis zum existenziellen Bedürfnis.

Jemand, der am Morgen drei kleine Kinder auf Betreuungseinrichtungen zu verteilen hat, um anschließend 20 km zum Arbeitsplatz zu pendeln, und am Nachmittag das Ganze rückwärts nochmals abspulen muss, wird sich über Politiker nur wundern (und ärgern), die einem erklären wollen, das ganze doch bitte bei 33 Grad im Sommer und bei -10 Grad und Schnee im Winter mit dem Rad oder generell mit dem ÖPNV, wenn er überhaupt passend ausgebaut ist, zu tun.

Wer in dieser Situation steckt, für den ist ein Auto schlichtweg unendlich wertvoll, und vermutlich alternativlos. Wer hingegen als Single oder als Kleinfamilie mit einem Kind in der Innenstadt lebt und an der zweiten Straßenbahnstation das Kind an der Grundschule ablädt und auf dem Rückweg von der Arbeit so wieder einsammelt, für den mag ein Auto nur ein unnötiger Ballast sein, der Parkgebühren und Versicherungs-, Wartungs- und Kraftstoffkosten verursacht.

Beides sind valide und existierende Lebenswirklichkeiten in Deutschland, mit unzählig vielen Abstufungen dazwischen. Was wir daraus lernen: Einer Gruppe dürfte es leichtfallen, sich moralisch überlegen zu fühlen und Fahrverbote für Diesel zu fordern, die Kraftstoffkosten zu erhöhen oder z.B. die Pendlerpauschale streichen zu wollen.

Schaut man aber in die andere Richtung, erreicht man damit nicht nur nichts Gutes, sondern schädigt den Teil der Gesellschaft, der keine Alternative hat. Am schlimmsten trifft es die 35-40-jährigen Eltern mit 2-3 noch nicht selbstständigen Kindern im Speckgürtel der Großstädte oder im ländlichen Raum, die mit ihrem 6-12 Jahre alten Golf-Diesel-Kombi den Alltag am Laufen halten und neben der Hausrate/Miete und den restlichen Lebenskosten wenig Kapazitäten haben, sich spontan ein Fahrzeug der neuesten Abgasnorm oder mit alternativem Antrieb anzuschaffen.

Für genau diese Menschen, sowie viele weitere mit hier nicht erwähnten Lebenssituationen, muss liberale Politik zusammen mit der Wirtschaft und Kommunen Antworten finden, um die Kosten für eine nachhaltige Verkehrswende im Rahmen zu halten und die folgenden Punkte 2 und 3 dennoch anzugehen. Konkret bedeutet das, dass jede neue Mobilitätsform oder Gesetzesänderung im Regelfall weniger als einen dreistelligen Betrag im Monat an Mehrkosten verursachen sollte oder im besten Fall sogar Kosten einspart.

2) Umwelt, Nachhaltigkeit und Gesundheit

Dem aufmerksamen Leser wird auffallen, dass ich bewusst das Wort „Klima“ in der Überschrift vermieden habe. Aus gutem Grund: Es ist ein Reizthema und es gibt dazu vermutlich mehr Meinungen und bald auch Studien als Fahrzeuge. Eine Diskussion wäre also von vornherein negativ aufgeladen. Mein Ansatz soll es daher sein, mit wesentlich greifbareren Argumenten zu begründen, warum wir uns trotz der Erkenntnisse aus Abschnitt 1) mit alternativen Antrieben und Mobilitätskonzepten beschäftigen sollten.

Unsere aktuelle Mobilität basierend auf dem klassischen Verbrenner-KFZ bringt drei wesentliche Probleme mit sich:

a) Sie operieren auf der Basis des Ressourcenverbrauchs und nicht -gebrauchs. Fossiler Kraftstoff wird verbrannt, Motoröl muss regelmäßig getauscht werden und überschüssige Energie muss weggebremst werden, was wiederum zu Verschleiß und Feinstaubemission führt. Auch die Abgasstränge sind problematisch, in diesen wird AdBlue zur Reinigung der Abgase verwendet. Bei AdBlue handelt es sich um einen fossil gewonnenen Rohstoff. Zusätzlich werden im Laufe eines Autolebens ca. 50 % der höchst wertvollen Katalysatormetalle wie Platin oder Palladium unwiederbringlich fein zerstäubt in der Umwelt verteilt.

In einem Versuch in Los Angeles, Freeway-Feinstaub wieder einzuschmelzen 1, erhielt man ein ganzes Sammelsurium an wertvollsten Metallen. Was außerdem stark katalytisch wirkende feine Platin- und Palladium Partikel in den eigenen Lungenbläschen evtl. anrichten können, ist zum Teil noch in der Erforschung, zumindest bei Palladium gibt es aber starke Indikationen, dass Atemwegreizungen und ähnliches zu erwarten sind2. In Sachen Nachhaltigkeit und Gesundheit gibt es also deutliches Verbesserungspotenzial.

b) Lokale Emissionen: Insbesondere dem E-Auto wird gern angelastet, es habe seinen Auspuff „nur woanders“. Das ist, je nach Energiemix, sogar teilweise korrekt (wenn auch nicht in dem Umfang, wie manche es gern darstellen). 3

Entscheidend ist aber, dass er eben im Zweifel woanders ist. Eins der wichtigsten Argumente für eine Wende bei den Antriebstechnologien sind die Lokalemissionen. Diese lassen sich in Lärmemissionen, Abgase und Partikelemissionen unterteilen. Hier hat das batterieelektrische Fahrzeug (BEV), das Wasserstoff-Auto (FCEV), und teilweise auch der (Plug-In-)Hybrid ([P]HEV) klare, für jeden unmittelbar wahrnehmbare Vorteile gegenüber dem reinen Verbrenner (ICE).

Beim Lärm ist das ganze selbsterklärend. Jeder der schon einmal live ein elektrifiziertes Fahrzeug erlebt hat, kennt die großartige Ruhe dieser Antriebsform. Lärmemissionen sind nicht nur eine Komfortfrage, Lärm erhöht nicht nur den Stresslevel, sondern kann auch krank machen, das ist keine neue, aber eine gesicherte Erkenntnis.

Den Lärmpegel der Fahrzeuge in unseren Städten zu senken ist also eine direkte Gesundheitsfrage 4. Darum sollte man auch gegen übertriebene Regelungen zu Fahrgeräuschgebern eintreten, die große Teile dieses Vorteils wieder verspielen. Fahrräder und Elektroroller fiepen auch nicht, und fahren dennoch nicht regelmäßig Sehbehinderte über den Haufen. Außerdem gibt jedes Fahrzeug ab 10 km/h wahrnehmbare Abrollgeräusche der Reifen von sich, man ist also leise, aber längst nicht lautlos. Auch Klimakompressoren und Lüfter erzeugen immer eine gewisse Geräuschkulisse.

Zu den Abgasen: Jeder, der bei kalter Witterung schon mal morgens durch ein Wohngebiet ging, kennt diesen schlimmen Kaltstart-Geruch. Es stinkt. Und es ist alles andere als gesund. Die durchschnittliche Jahrestemperatur in Deutschland liegt bei etwa 10 Grad5. Die Thermofenster (=Temperaturbereiche, in denen sie funktionieren) der Abgasreinigungen liegen in aller Regel über 12 bis 20 Grad je nach Modell6. Mit einer durchschnittlichen Einweg-Fahrstrecke um 20 km in Deutschland 7 braucht man nun kein Mathematiker zu sein, um zu merken, dass wir uns, außer im Sommer, regelmäßig besonders in der Stadt ständig mit einem Abgascocktail einnebeln, der nichts mit den wunderbaren Laborwerten in den Fahrzeugpapieren zu tun hat.

BEVs und FCEVs kennen keinen Kaltstart, der Hybrid kann sich zumindest noch aus der Stadt schleichen, so er denn vom Besitzer geladen wird (ein Hauptproblem dieser Fahrzeugkategorie).

Die Sekundäremissionen in Form von Partikeln betreffen im Regelfall Reifenabrieb, Bremsen und einen gewissen Anteil aus dem Abgas, auch wenn dieser nachweislich überbewertet wird, wie uns kürzlich wieder Messungen während des Corona-Lockdowns gezeigt haben. Partikelemissionen durch Industrieanlagen, Heizungen und Umweltfaktoren werden dominanter8. Dennoch erreicht man gerade beim Bremsstaub mit elektrifizierten Fahrzeugen bedeutend bessere Werte, weil man die Bremse nahezu nicht mehr braucht, denn man kann rekuperieren, also überschüssige Bewegungsenergie zurückgewinnen und in den Akku zurückführen.

c) Nachhaltigkeit. Dieser Punkt enthält natürlich schon Aspekte aus a) und b), trennt aber die Spreu vom Weizen beim Vergleich von BEVs, FCEVs und (P)HEVs und natürlich besonders dem klassischen Verbrenner (ICE).

Es ist keine Überraschung, dass an einem ICE-Fahrzeug wenig nachhaltig ist. Der permanente Direktverbrauch von Ressourcen ist ein berechtigter Vorwand aller Auto-Kritiker und sollte angegangen werden, weil uns Alternativen zur Verfügung stehen. Warum das BEV hier dem FCEV und PHEV aus physikalischen, ökonomischen, sowie ökologischen Gründen überlegen ist braucht einen eigenen Artikel. Aber es sollte unstrittig sein, dass so ziemlich alles besser ist, als literweise “Dinosaur-Juice”, wie der Amerikaner sagt, jeden Tag durch ein Rohr unter seinem vierrädrigen Fahrstuhl verbrannt in die Umwelt zu blasen. Am besten kann man hier eigentlich nur Elon Musk zitieren, der es für jeden logisch verständlich auf den Punkt brachte:

If we know we have to get off oil no matter what, we know that is an inescapable outcome, why run this crazy experiment of changing the chemical composition of the atmosphere and oceans by adding enormous amounts of CO2 that have been buried since the Precambrian Era? That’s crazy. That’s the dumbest experiment in history, by far. 9

https://www.vice.com/en_us/article/4x3pmn/elon-musk-burning-fossil-fuels-is-the-dumbest-experiment-in-history-by-far

Dazu gesellen sich weitere Aspekte, wie der Fakt, dass z.B. Batterien geschlossene Systeme sind, und damit nahezu 100% recyclebar sind 10. Auch bei Brennstoffzellen können die meisten Rohstoffe wiedergewonnen werden. Weiterhin brauchen diese Fahrzeuge keine Ölwechsel, der Bremsverschleiß ist drastisch reduziert und generell ist der Wartungsaufwand niedriger, besonders bei BEVs.

3) Platzverbrauch und Verkehrsdichte

Autos haben einen unbestreitbaren Nachteil: Sie stehen über 90 % der Zeit herum und belegen dabei viel Platz. Bei einem durchschnittlichen PKW, der 4,5 m lang und 2,10 m breit ist, macht das etwa 9,5 m². Mit 47,7 Millionen gemeldeten Fahrzeugen in Deutschland in 2020 11 ergibt sich damit eine benötigte Gesamtfläche von 450,7 km². Würde man also alle in Deutschland registrierten Fahrzeuge dicht an dicht parken, ergäbe das etwa die halbe Fläche von Berlin, oder etwa 50 % mehr Fläche als ganz München umfasst.

Diese Veranschaulichung soll eins zeigen: Wir brauchen intelligente Konzepte, um von dieser großen Zahl herunterzukommen. Da gibt es mehrere Möglichkeiten:

Eine ist, die Autos zu verkleinern. Klar, es muss der Audi sein, das ist der Deutsche seinem Nachbarn schuldig. Aber auch die bauen A1, und nicht nur A6-Kombis. Es sollte sich also jeder selbst hinterfragen, was er wirklich braucht. Und das geht auch direkt mit Punkt 1, den Kosten, zusammen. Ein größeres, luxuriöseres Auto wird in aller Regel auch teurer sein. Hier liegt viel ungehobenes Potenzial. Wäre der Deutsche nicht so unpragmatisch bei seiner Fahrzeugwahl, ließe sich allein durch nutzungsgerechte Fahrzeugauswahl einiges an Kraftstoff/Energie, Kosten und Platz sparen.

Der zweite Punkt ist die Anreizsetzung. Man setzt extrem heftig auf Einmalprämien bei alternativen Antrieben (derzeit bis zu 9.000€(!) bei BEVs beispielsweise), fördert aber zugleich mit Milliarden fossile Brennstoffe 12. Das kann man jetzt wahlweise als Doppelmoral, Dummheit oder Inkompetenz betiteln, Sinn ergibt es jedenfalls keinen. Zumal Einmalprämien empirisch immer zu Mitnahmeeffekten führen und keinen nachhaltigen Effekt haben 13.

Wäre es daher nicht zielführender, stattdessen zielgerichtet Probleme für neue Antriebsformen aus dem Weg zu räumen?

Kurz genannt seien nur: Deutliche Entlastung der Einkaufspreise für Ladestrom auf Industrielevel (wenn der Ladepunktbetreiber Strom für volle 28-30 ct mit ALLEN Abgaben selbst einkaufen muss gibt es KEIN lukratives Geschäftsmodell außer Quersubvention!), Abschaffung oder radikale Reform der Ladesäulenverordnung, deutliche Vereinfachung und Entbürokratisierung des Baurechts für solche Anlagen und nicht zuletzt das Eichrecht, das insbesondere bei der Gleichstrom-Schnellladung einen Schaden ohne gleichen angerichtet hat 14.

Für den Betrieb einer Ladesäule muss man quasi deutsche Bürokratie studiert haben und private Initiativen werden damit im Keim erstickt. Das hat mit Innovationsfreundlichkeit und Nachhaltigkeit nichts zu tun. Aber auch generell müssen wir gerade unsere Städte flexibler machen. Im Sommer fahren viele Leute eher mit dem Rad als im Winter, der Verkehr fließt je nach Tageszeit oft primär in eine Richtung. Warum implementiert man hier nicht intelligente Konzepte wie Flexispuren?

Im Sommer (oder gar nach Wetterlage?) kann eine Fahrspur in einen verbreiterten Radweg umgewandelt werden. Oder man wechselt die Fahrtrichtung einzelner Spuren je nach Tageszeit, um Staus zu vermeiden, die zu stark erhöhten Lokalemissionen und Zeitverschwendung führen. Elektronische Verkehrsleitsysteme würden es möglich machen.

Ein weiterer Punkt ist das Baurecht. Wir haben uns unglücklicherweise in Deutschland dafür entschieden jede verbleibende Baulücke zuzukleistern, anstatt eine Zersiedelung zuzulassen, die etliche Verkehrsprobleme bereits entspannen würde. So ist das Mindestmaß allerdings, dass Neubauten von vornherein ihren Bedarf an Parkflächen konzeptuell mit Abdecken müssen.

Dazu gehören nicht nur Fahrzeugstellplätze, sondern auch Fahrradständer/-garagen, Flächen für Warenlieferungen, wenn notwendig etc. Weiterhin muss die Funktionsweise der modernen Mobilität berücksichtigt werden, d.h. in Tiefgaragen oder auf Parkplätzen sind Ladepunkte ebenso für E-Scooter/E-Bikes wie auch für E-Autos vorzusehen. Dies lässt sich konzeptuell auch sehr gut mit lokaler Energieerzeugung (in der Regel wohl also Solar auf dem Dach/an der Fassade) verheiraten, sodass es dringend geboten ist, die bürokratischen Hürden dafür weitestgehend zu senken oder ganz zu beseitigen. Die aktuellen Verfahren für Gemeinschaftsnutzung solcher Anlagen sind untragbar.

Ein Weg nach Vorn

Insgesamt lässt sich also sagen, dass sich mit Tempolimits, Fahrverboten und Ähnlichem nichts Positives erreichen lässt. Dies ist aber zeitgleich kein Freibrief für das Nichtstun. Der Weg zu einer modernen Mobilitätspolitik liegt in klaren Konzepten, die verschiedene Verkehrsträger in Einklang zu bringen, anstatt sie gegeneinander auszuspielen, was wir heutzutage leider oft erleben. Eine entsprechend große Stadt kann niemals ohne Fußgängerzonen, Radwege, ausreichend ausgebaute Infrastruktur für bewegten und ruhenden PKW-Verkehr als auch einen starken und zuverlässigen ÖPNV funktionieren.

Ich schlage daher folgende Punkte konkret vor (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  1. Nutzung elektronischer Verkehrsleitsysteme um Spuren/Fahrtrichtungen abhängig von Tageszeit/Jahreszeit/Verkehr/Wetter auf kritischen Strecken umzuwidmen.
  2. Schaffung permanent sicherer Infrastruktur für Radfahrer/Scooterfahrer (d.h. physisch separiert bzw. farblich klar abgehoben), dynamisch erweiterbar per Punkt 1).
  3. Schaffung attraktiver Sharing-Angebote, idealerweise kombiniert mit dem ÖPNV-Ticket (z.B. in Dresden kann man mit einer Monatskarte auch Sharing-Räder bis 30 min mieten).
  4. Flexibilisierung des ÖPNV, d.h. außerhalb von Stoßzeiten z.B. auf on-Demand Minibusse setzen, um den Speckgürtel immer noch nachhaltig anzubinden.
  5. Massive Deregulierung des Taxigewerbes, insbesondere Verkauf von Sitzen/Ridesharing anstatt Einzelfahrten muss erlaubt werden (kosteneffizienter und wesentlich nachhaltiger).
  6. Einsatz des ‘Diamond-Lane’-Konzepts zu Stoßzeiten, um Fahrgemeinschaften zu fördern
  7. Anreize statt Einmalsubventionen für die Anschaffung lokal emissionsarmer/-freier Fahrzeuge (reduzierte Parkkosten, attraktive Ladeinfrastruktur auch für Mieter etc.).
  8. Nutzung der dritten Dimension: In sehr großen Städten tut man das bereits mit U-Bahnen und anderen (teil-)automatisierten massentauglichen Transportsystemen, wie z.B. der MRT (Mass-Rapid-Transit) in Singapur. Noch ein weiteres Stichwort: „The Boring Company“
  9. Konsequente überregionale Nutzbarkeit von ÖPNV-Karten. Vom Bahnhof/Flughafen zum Ziel zu kommen kann teurer/nerviger sein als die Langstrecke selbst. Z.B. die Niederlande machen es vorbildlich vor.
  10. Radikale Entbürokratisierung für die Einführung moderner Infrastruktur. Egal ob Ladepunkte, Sharingplattformen etc. Wir müssen ermöglichen und nicht verbieten.
  11. Beendigung umweltschädlicher Subventionen. Manche davon evtl. graduell, um individuelle Härten zu vermeiden.
  12. Der Strompreis (oder besser die Abgaben auf ihn) muss sinken. Elektrizität ist die am effizientesten nutzbare/umwandelbare Energieform. Ist sie billig, steigt die Nachhaltigkeit einer Volkswirtschaft automatisch.
  13. Infragestellen des täglichen Pendelns: Die Coronakrise hat gezeigt, dass viele Jobs es auch zulassen, sich nicht jeden Tag physisch ins Geschäft bewegen zu müssen. Es ließen sich so erhebliche Mengen an Tageskilometern und Fahrzeugen in den Städten einsparen.
  14. Attraktive Park&Ride-Angebote. D.h. eine wirklich schnelle Anbindung in die Innenstädte und z.B. Lademöglichkeiten für Plug-In Fahrzeuge auf den Parkplätzen am Stadtrand. Ebenso Radweganbindung für die, die mit dem Drahtesel oder Scooter die letzte Meile bewältigen wollen.

Es warten also genügend dicke Bretter darauf gebohrt zu werden. Und wer die obigen Ausführungen und Punkte 1) bis 14) einmal verinnerlicht, wird feststellen, dass sich unser aller Lebensqualität und die Nachhaltigkeit erheblich verbessern ließe, ohne auch nur einer Familie ihr Auto, dem Studenten sein Fahrrad und der Omi ihren Lieblingsladen in der verkehrsberuhigten Fußgängerzone wegzunehmen.

Die technischen Lösungen und Ideen liegen auf dem Tisch. Wir müssen nur wollen und endlich machen.


Der Gastbeitrag spiegelt die Meinung des Gastautors wider.


Gastautor

  1.  https://hackaday.com/2016/06/06/mining-platinum-from-the-road/[]
  2. https://www.lenntech.de/pse/elemente/pd.htm[]
  3. https://vision-mobility.de/news/umweltbilanz-selbst-mit-kohlestrom-liegen-e-autos-weit-vorn-44584.html []
  4. https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/verkehr-gilt-als-hauptfaktor-laerm-macht-krank-neue-studie-verdeutlicht-zusammenhang-von-laerm-und-sterblichkeit_id_11738807.html[]
  5. https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/aktuelle_meldungen/200103/temperatur_d_2019_langfristig.html[]
  6. https://www.wiwo.de/technologie/mobilitaet/technischer-hintergrund-was-es-mit-dem-thermofenster-auf-sich-hat/19849524.html[]
  7. http://www.mobilitaet-in-deutschland.de/pdf/MiD2017_Ergebnisbericht.pdf[]
  8. https://www.umweltbundesamt.de/faq-auswirkungen-der-corona-krise-auf-die#welche-auswirkungen-hat-die-corona-krise-auf-die-feinstaub-pm10-belastung[]
  9. Auf Deutsch: “Wenn wir wissen, dass wir irgendwann ohnehin vom Erdöl weg müssen, und das ein unumgänglicher Fakt ist, warum betreiben wir dann dieses verrückte Experiment, die chemische Zusammensetzung unserer Atmosphäre und Ozeane mit enormen Mengen CO2 zu verändern, die seit dem Präkambrium unterirdisch lagerten. Das ist verrückt. Das ist das dümmste Experiment der Geschichte, bei Weitem.”[]
  10. https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/elektromobilitaet/info/elektroauto-akku-recycling/[]
  11.  https://de.statista.com/statistik/daten/studie/12131/umfrage/pkw-bestand-in-deutschland/[]
  12. https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/wirtschaft-umwelt/umweltschaedliche-subventionen#direkte-und-indirekte-subventionen[]
  13. https://www.autohaus.de/nachrichten/hohe-mitnahmeeffekte-bei-abwrackpraemie-838659.html[]
  14. https://www.wiwo.de/unternehmen/auto/elektroautos-das-eichrecht-bremst-ladesaeulen-aus/22741264.html[]

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