Machen wir unsere Sozialversicherungen leistungsstark und zukunftsfähig!

Staatliche Sozialversicherungen sind heutzutage in Deutschland eine Selbstverständlichkeit. Waren sie zu Zeiten Bismarcks noch eine hart erkämpfte Errungenschaft, so ist der Sozialstaat für uns Liberale mit einer modernen Marktwirtschaft untrennbar vereint. Auch die Freien Demokraten hatten historisch großen Anteil an vielen sozialpolitischen Errungenschaften in Deutschland. Bloße Nostalgie wird die sozialpolitischen Herausforderungen der heutigen Zeit allerdings nicht lösen.

Der demografische Wandel übt einen immer größeren Druck auf unsere Sozialversicherungen aus. Ganz besonders gilt dies für Rentenversicherung. Wenn in den 2020er-Jahren die geburtenstarken Jahrgänge der Baby-Boomer ihren wohlverdienten Ruhestand antreten, müssen immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner finanzieren. Aber bereits heute decken die Beiträge nicht mehr die Auszahlungen und die Rentenversicherung ist jährlich auf zusätzliche 100 Milliarden Euro aus Steuermitteln angewiesen. Eine vergleichbare private Versicherung wäre bereits zahlungsunfähig – ein unmissverständliches Warnsignal, dass hier auf Kosten der kommenden Generationen gewirtschaftet wird.

Die längst notwendige Reform des Rentensystems fand bisher nicht statt. Anstatt die Rente für die Zukunft fit zu machen, wird ein immer maroder werdendes System einfach an die junge Generation weitergereicht. Dabei zeigen andere Staaten längst auf, wie man die knappen Kassen der Rentenversicherung wieder füllt. Schweden setzt bereits seit etwa zwei Jahrzehnten auf einen kapitalgedeckten Anteil in der Altersvorsorge – ein ähnliches Konzept wie die gesetzliche Aktienrente der Freien Demokraten. Ein Anteil der Rentenversicherungsbeiträge wird vom Staat in einen Aktienfonds mit etwa 7-10% jährlichem Wertzuwachs angelegt. Es handelt sich zudem um eine ausgesprochen sichere Anlageform. Angesichts des langfristigen Ansparzeitraums bis zum Renteneintrittsalter können kurzfristige Kursschwankungen ausgeglichen werden.

Eine stärker kapitalgedeckte Altersvorsorge allein wird allerdings nicht der lang ersehnte Heilsbringer sein, der uns aus den Fängen der demografischen Entwicklung befreit. Eine alternde Gesellschaft braucht Zuwanderung und sollte dafür klare Anreize schaffen. Die ermüdende Diskussion darüber, ob Deutschland ein Einwanderungsland sei, führte in den letzten Jahrzehnten zu einer katastrophalen Einwanderungspolitik. Dabei ist längst klar: Deutschland ist ein Einwanderungsland.

Gerade der Liberalismus steht für Weltoffenheit, das Schaffen von Lebenschancen und eine freiheitliche Gesellschaft, die sich ganz klar pro Zuwanderung positioniert. Nichts ist liberaler als den Menschen, die nach Deutschland kommen, die Chance zu bieten, sich hier zu verwirklichen. Nichts ist liberaler als das vielfältige Potenzial durch Einwanderung, welches aus der kulturellen und wirtschaftlichen Bereicherung eines Landes besteht. Nichts ist liberaler als nicht danach zu fragen, wo jemand herkommt, sondern wohin jemand gehen möchte. Und nichts ist liberaler als ein längst überfälliges Einwanderungsgesetz, das diesen Menschen echte Chancen eröffnet.

Jedoch ist nicht nur die Rentenversicherung reformbedürftig, sondern auch die anderen Sozialversicherungen. Insbesondere die Kranken- und die Pflegeversicherung sind durch die demografische Entwicklung zu Sorgenkindern geworden. Allein die prognostizierte Verdopplung oder gar Verdreifachung der Demenzkranken in den nächsten 30 Jahren lässt erahnen, welche Belastung hier auf uns als Gesellschaft zurollt.

Die Pflegeversicherung stößt bereits heute an ihre Belastungsgrenze. Ein großer Teil der Altenpflege wird nach wie vor von der eigenen Familie übernommen. Ohne diese oft unbezahlte Leistung der Angehörigen wäre die Pflegeversicherung bereits heute bankrott. Es ist geradezu unverschämt, dass sich der Staat so sehr auf die Angehörigen von Pflegebedürftigen verlässt. Dies erinnert an längst vergangene Zeiten aus dem 19. Jahrhundert, als die eigenen Kinder und nicht die staatlichen Sozialversicherungen Absicherung im Alter boten und ist mit den Grundsätzen eines modernen Sozialstaates völlig unvereinbar. Deshalb braucht es für die Pflegeversicherung endlich ein ehrliches Finanzierungskonzept, welches den Menschen langfristig und nachhaltig hochqualitative Pflege garantiert.

Eine noch größere Baustelle stellt allerdings die Krankenversicherung dar, deren strukturelle Mängel eine Vielzahl an Reformen erfordern. Die Problembeschreibung ist relativ einfach: Explodierende Gesundheitsausgaben übersteigen bereits seit Jahrzehnten das Wirtschaftswachstum – und das in einem Gesundheitssystem, das im internationalen Leistungsvergleich immer weiter zurückfällt. Wieso ist es schlimm, wenn Gesundheitsausgaben stärker wachsen als die Wirtschaft? Einfach erklärt: Wenn über längere Zeit die Krankenversicherungsbeiträge stärker ansteigen als die Einkommen, bleibt immer weniger Netto vom Brutto. In einem Land, in dem gerade die Mittelschicht immer stärker staatlich belastet wird, ist dies eine fatale Entwicklung.

Diese Kostenexplosion ist besonders problematisch, da ihr kein innovatives, fortschrittliches Gesundheitswesen gegenübersteht. Das deutsche Gesundheitssystem ist auch im Jahr 2021 immer noch analog statt digital. Es kann nicht sein, dass Patienten immer noch Röntgenbilder von Arzt zu Arzt transportieren müssen, während es in anderen Industriestaaten dafür längst elektronische Patientenakten gibt. Zudem müssen weitere Strukturen im bestehenden System hinterfragt werden. Bessere Prävention, mehr Behandlungsangebote für psychische Erkrankungen sowie eine Entkoppelung von Notfall- und Regelversorgung sind nur wenige der Bereiche, in denen grundlegende Anpassungen notwendig sind.

Der Erfolge der deutschen Sozialversicherungen sind unbestreitbar. Unbestreitbar ist aber auch, dass bisher im 21. Jahrhundert notwendige sozialpolitische Reformen ausblieben. Hier müssen insbesondere Liberale den Staat an die Konzepte der Nachhaltigkeit, der Generationengerechtigkeit und des Fortschrittsdenkens erinnern. Ein moderner Sozialstaat ist stark und kosteneffizient. Ein moderner Sozialstaat ist marktwirtschaftlich und sozial. Ein moderner Sozialstaat ist liberal.

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