Visionen eines liberalen Baurechts #2: Ab nach draußen und hoch hinaus

Die Mieten in Deutschlands Großstädten steigen genauso wie die Immobilienpreise immer weiter. Viele Menschen suchen Wohnraum in der City – der ist aber knapp. Daran schuld sind nicht Miethaie oder Spekulanten, sondern konservative Bauplanwirtschaft. Teil 2 einer Serie von Visionen, was ein liberales Baurecht verändern könnte.

Teil 1 dieser Serie widmete sich den Problemen, die die Bauleitplanung mit sich bringt. Doch das komplizierte deutsche Bauplanungsrecht besteht aus mehr als Bebauungsplänen in Städten und Gemeinden. Auch das Bauen im Außenbereich ist massiv reguliert. Dabei liegen hier Chancen, nicht Risiken.

Ein weiteres Problem, dem zu wenig Aufmerksamkeit zuteil wird, ist Folgendes: Wir beschränken uns zu sehr nach oben, nutzen den vorhandenen Platz nicht. Es ist beinahe mutwillige Verschwendung, wenn man sich in deutschen Innenstädten nicht über vier, vielleicht fünf Stockwerke hinaus traut. Auch bestehende Immobilien bieten großes Potential – ohne dabei wie ein Neubau hohe Kosten zu verursachen. Zwei wichtige Themen, die es hier zu betrachten gilt.

Zersiedlung als Chance begreifen

Schauen wir zunächst vor die Tore der Stadt – in den Außenbereich. Der Grundsatz des deutschen Rechts lautet hier: Bauen verboten! Vielleicht reibt sich der eine oder andere hier verwundert die Augen. Zurecht. Denn diese Regelung führt zu nichts anderem, als dass Menschen in die Städte getrieben werden. Dorthin, wo die Grundstückspreise naturgemäß hoch sind. Dorthin, wo ohnehin die Mieten explodieren. Ausnahmen gibt es regelmäßig nur für „privilegierte Vorhaben“ wie Landwirtschaftsbetriebe, die naturgemäß auf Außenflächen angewiesen sind. Reinen Wohnraum im Außenbereich zu schaffen ist dagegen beinahe unmöglich.

Wie kommt man nun zu dieser Regelung? Die Befürchtung ist eine Zersiedlung, also ein Wachstum in den unbebauten Raum hinein anstelle einer zusammenhängenden Wohnbebauung in Städten. Der Staat gibt also vor, wo Städte und Wohnsiedlungen entstehen sollen und wo nicht. Wenn nun aber jemand ein günstiges Grundstück auf dem Land findet, warum sollte er dort kein Eigenheim bauen dürfen? Der Hintergrund ist, dass man befürchtet, andere könnten nachziehen. Dabei sollte es doch gerade kein Problem, sondern eher erwünscht sein, wenn Menschen freiwillig außerhalb der Stadt bauen, günstig dazu. Und wenn hierdurch womöglich neue Siedlungen, Ortsteile oder sogar Städte entstehen: Wo soll das Problem sein?

Darüber hinaus passt das Bauen im Außenbereich gut in ein digitales, mobiles Zeitalter. Das klassische Büro ist auf dem Rückzug – Homeoffice, mobiles, flexibles und ortsunabhängiges Arbeiten sind auf dem Vormarsch. Die COVID-19-Pandemie beweist und verstärkt diesen Effekt. Wer ohnehin (fast) ausschließlich von zuhause arbeitet, kann dies – eine brauchbare Internetleitung vorausgesetzt – auch aus seinem Einfamilienhaus einige Kilometer außerhalb der Stadtgrenzen tun. Auch verschiedenste Unternehmen können den sich im Gegensatz zur Innenstadt bietenden Platz gut gebrauchen. Und warum eigentlich keine Coworking Spaces im Grünen?

Der Fantasie, was man auf den vielen Flächen im Außenbereich alles bauen und wie man sie nutzen könnte, sind eigentlich keine Grenzen gesetzt. Im Prinzip ist dieser Platz vorhanden – er darf nur nicht genutzt werden. Zersiedlung darf nicht als Gefahr, sondern muss als Chance begriffen werden. Der Außenbereich muss zum Bauen freigegeben werden.

Hoch bauen statt tiefstapeln

Aber nicht jeder kann raus auf die grüne Wiese. Auch in den Städten muss Wohnraum geschaffen werden. Nun ist es so, dass die Grundfläche begrenzt ist. Wie schafft man also möglichst viel Wohnraum auf möglichst kleiner Fläche? Der Geometrieunterricht der fünften Klasse sagt: Es muss nach oben gehen. Die Häuser müssen höher werden.

Fast jeder Bebauungsplan enthält Vorschriften darüber, wie hoch die Gebäude in den jeweiligen Gebieten sein dürfen. In gewissem Maße sind Höhenbeschränkungen sinnvoll – sie müssen aber individuell festgelegt werden. Wenn der sonnige Garten eines Einfamilienhauses plötzlich zu drei Seiten mit Hochhäusern umstellt wird, greift das natürlich massiv in die nachbarlichen Eigentumsrechte ein. Nun ist es jedoch gerade in den Innenstädten zumeist so, dass ohnehin eine dichte Bebauung vorhanden ist. Werden nun die Häuser einige oder auch viele Etagen höher, ändert sich hierdurch für die Nachbarhäuser ziemlich wenig.

Und, seien wir mal ehrlich: Was für eine Bebauung verbinden wir mit modernen Innenstädten des 21. Jahrhunderts? Vierstöckige Wohnhäuser? Nein, wir denken an die Skylines von Tokyo oder New York City. Hier wird der verfügbare Platz genutzt. Mit den wenigen Türmen in Frankfurt oder Berlin darf man sich nicht zufriedengeben. Hochhäuser müssen von Politik und Gesellschaft als eine Form der effizienteren Nutzung der verfügbaren Fläche wahrgenommen werden.

Es braucht ein Umdenken. Und eine Freigabe. Wer sich über zu hohe Mieten beschwert, sollte sich Lösungen nicht verschließen. Und die bestehen gerade in echten Hochhäusern und Wolkenkratzern. Zudem bieten sie auch ökologische Vorteile: Es entsteht unglaublich viel Fläche an ihren Wänden. Diese kann etwa für Photovoltaikanlagen oder vertikale Begrünung zur Verbesserung des Stadtklimas genutzt werden.

Man darf – auch im Baurecht – nicht nur in bestehenden Bahnen denken, sondern muss darüber hinaus offen sein. Deutschlands Wohnungspolitik braucht eine echte Hochhausoffensive – und weniger Beschränkung, Regulierung, Höhenbegrenzung.

Nachverdichtung – horizontal und erst recht vertikal

Ein Schritt hin zu mehr Wohnraum kann auch die Nachverdichtung sein. Dachgeschosse können ausgebaut, Geschosse auf Häuser aufgesetzt werden. Darüber hinaus sind hier die Kosten im Gegensatz zu Neubauten deutlich geringer. Auch hier sind umfangreiche Deregulierungen erforderlich, um so rein technisch im Verhältnis zu (hohen) Neubauten sehr einfach zu schaffenden Wohnraum möglich zu machen.

Genauso können Baulücken durch horizontale Nachverdichtung geschlossen und so Wohnraum auf teils ohnehin ungenutzter Fläche geschaffen werden. Ein spannendes Beispiel für die Nutzung selbst der auf den ersten Blick ungeeignetsten Flächen ist das schmalste Haus Kölns – 2,56 Meter von Wand zu Wand.

Was wir brauchen, ist mehr Mut. Mehr Kreativität. Mehr Innovation. Und in erster Linie weniger Staat, der all dies beschränkt, reguliert und verbietet. Geben wir den Kräften eines echten Wohnungsmarktes die Chance, sich zu entfalten. Es wird Zeit.


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