Visionen eines liberalen Baurechts #1: Der Bebauungsplan als Mutter aller Probleme

Die Mieten in Deutschlands Großstädten steigen genauso wie die Immobilienpreise immer weiter. Viele Menschen suchen Wohnraum in der City – der ist aber knapp. Daran schuld sind nicht Miethaie oder Spekulanten, sondern konservative Bauplanwirtschaft. Teil 1 einer Serie von Visionen, was ein liberales Baurecht verändern könnte.

Über 17 Euro beträgt der Durchschnittsmietpreis pro Quadratmeter in Frankfurt und Hamburg, über 20 Euro in München. Wohnen in Deutschlands Großstädten ist teuer. Doch wo kommen die hohen Preise her? Es ist das einfache Gesetz von Angebot und Nachfrage: Viele Menschen wollen oder müssen in der Stadt wohnen. Dort gibt es aber zu wenige Wohnungen. Die logische Folge: Der Preis steigt.

Hohe Mietpreise sind jedoch kein Naturgesetz. Sie werden maßgeblich durch die Gesetzgebung im Bau- und Mietrecht beeinflusst. Auf der Nachfrageseite kann der Staat hier wenig steuern – jeder muss schließlich wohnen, braucht ein Dach über dem Kopf. Das Angebot ist also die Stellschraube – und hier deckelt der Staat künstlich, anstatt mehr zu ermöglichen. Ja, der Ausdruck ist bewusst gewählt: Dass das Deckeln von Mieten wie in Berlin gleichzeitig den Neubau von Wohnungen deckelt, ist unter seriösen Ökonomen Konsens.

Doch die ganz entscheidenden Probleme liegen nicht im Mietrecht. Dort greift der Staat mit sozialistischen Instrumenten wie Mietpreisbremse und Mietendeckel seit Jahren mit größtem Vergnügen in die privatautonome Vertragsgestaltung zwischen Vermieter und Mieter, also das letzte Glied in der langen Kette von der Grundsteinlegung bis zur Schlüsselübergabe ein. Selbstverständlich müssen diese Methoden der Vergangenheit angehören. Stattdessen muss durch erhebliche Liberalisierungen auf der „großen“ Ebene – im Baurecht – dem Markt erst die Möglichkeit gegeben werden, auf die hohe Nachfrage zu reagieren.

Baufreiheit statt Bauleitplanung

Setzen wir deshalb gleich auf der großen Ebene an: Der Bauleitplanung. Klingt nach Planwirtschaft? Ist es auch. So schreibt nämlich die Kommune per Bebauungsplan vor, was wo zu stehen hat. Die Baunutzungsverordnung sieht dafür etwa folgende Arten vor, wie Baugebiete gekennzeichnet werden können.

Wer dann etwa in einem Gewerbegebiet – vielleicht sogar gut an die Innenstadt angebunden – ein Grundstück erwerben könnte, auf dem Platz für eine große Wohnanlage wäre, der hat schlechte Karten, was ein solches Bauvorhaben angeht. Der Staat plant also voraus, in welchem Bereich was zu stehen hat. Doch ist das wirklich erforderlich?

Natürlich ist es nicht wünschenswert, dass mitten in der Innenstadt ein Kohlekraftwerk oder eine emissionsreiche Fabrik steht. Solche Extremfälle sind jedoch gar nicht zu befürchten. Welcher Betreiber einer solchen Anlage würde dafür ernsthaft ein teures und wahrscheinlich kleineres Stadtgrundstück wählen, um sich dann noch auf ewige Rechtsstreits wegen Belästigung seiner Nachbarn und Eingriffen in deren Eigentumsrechte einzulassen? Richtig: Niemand würde das tun.

Dafür würde ohne Bauleitplanung eine bedarfsgerechte Nutzung der in Städten verfügbaren Fläche durch die Marktfunktion hergestellt würden. Fehlallokationen durch falsche Einschätzungen bei der Planaufstellung würden so vermieden und jede Fläche die für sie optimale Verwendung finden. Nicht zu unterschätzen ist zudem der Faktor Vetternwirtschaft – das Bauplanungsrecht ist dazu eine regelrechte Einladung. Dass Bebauungspläne Partikularinteressen folgend gestaltet werden, ist eher Regel als Ausnahme. Immer wieder machen Konflikte rund um Bebauungspläne und Lobbyismus Schlagzeilen.1

Die Bauleitplanung muss also zugunsten einer effektiven Bebauung der Städte abgeschafft werden. Nicht der Staat hat zu entscheiden, wo am besten ein Wohngebiet oder ein Gewerbegebiet entstehen sollte, sondern dies hat sich direkt an den Bedürfnissen der Bürger auf dem Markt zu messen. Auf diese kann am effizientesten reagiert werden, wenn das Angebot sich nicht danach bestimmt, ob in der Nähe gerade ein Wohngebiet ausgewiesen ist.

Bunte Häuser statt Biedermeier

Tatsächlich gibt es in Deutschland auch innerörtliche Gebiete, für die es keinen Bebauungsplan gibt. Für Bauvorhaben in diesen Gebieten gilt § 34 des Baugesetzbuchs – eine weitere Vorschrift, die das Bauen massiv einschränkt. Denn sie statuiert das sogenannte Einfügungsgebot, wonach sich die Bauvorhaben in die nähere Umgebung einfügen müssen.

Dass man in eine Gegend mit Flachbauten keinen riesigen Plattenbau stellt, der die Nachbarn massiv in ihren Eigentumsrechten beeinträchtigt, versteht sich von selbst. Warum man aber nur unter engen Voraussetzungen und mit viel rechtlichem Tamtam ein Wohnhaus in ein ansonsten gewerblich genutztes Gebiet bauen oder eine Hausreihe an das Ende einer Straße freistehender Einfamilienhäuser bauen darf, ist unerklärlich. Genauso, wieso man sein Haus unter Umständen nicht bunt anstreichen darf, wenn es in einer Reihe mit weißen Häusern steht. Ästhetische Kleinstbefindlichkeiten können hier wirklich keine Rolle spielen. Bauen kann und muss auch freie Entfaltung des Individuums nach seinen Bedürfnissen heißen.

  1. Beispiele der letzten Jahre: https://www.lokalkompass.de/marl/c-politik/gibt-es-eine-gefaelligkeitsplanung-fuer-den-investor-der-geplanten-bebauung-des-jahnstadions-in-marl-huels_a810897; https://www.wp.de/staedte/menden/menden-spd-wirft-cdu-wortbruch-und-pakt-mit-rechts-vor-id231492239.html; https://www.weser-kurier.de/region/wuemme-zeitung_artikel,-korruptionsverdacht-buergermeister-stoppt-bauvorhaben-_arid,1901853.html.[]

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