Zombie-Kapitalismus taugt bestenfalls als Horrorfilm

Gerade Wirtschaftskrisen bedrohen immer wieder die Existenz einiger Unternehmen. Gute Konjunkturpakete mögen hilfreich sein, Staatshilfen für konkrete Unternehmen hingegen nicht. Arbeitsplätze können dadurch nur scheinbar gerettet werden.

Im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft beginnt gerade die zweite Halbzeit. Eine Mannschaft führt mit 3:0, die andere Mannschaft droht in dem Spiel völlig unterzugehen. Nun beschließt der Schiedsrichter, das Spiel nicht mehr objektiv zu leiten, sondern schenkt der unterlegenen Mannschaft absichtlich zwei unberechtigte Strafstöße. Dies sorgt dafür, dass das Spiel nach 70 Minuten wieder ausgeglichen 3:3 steht. Ein Szenario, das jeder vollkommen zurecht völlig grotesk finden würde. Jemand der eigentlich unparteiisch sein sollte, würde ins Spiel eingreifen. Die schlechte Mannschaft würde belohnt und die bessere bestraft. Jeder Zuschauer würde ein solches Verhalten massiv ungerecht finden und dieses Handeln des Schiedsrichters völlig ablehnen.

Krisenpolitik oder Planwirtschaft?

Was im Fußball so klar abgelehnt wird, passiert in einem anderen Wettbewerb leider zunehmend: Der Staat greift immer mehr aktiv in die Wirtschaft ein – gerade in Krisensituationen. Gut, Elemente des Keynesianismus wie generelle Konjunkturpakete (Erhöhung der Nachfrage) mögen durchaus sinnvoll sein und reine neoklassische Ansätze einer Krisenpolitik gelten weithin als überholt. Aber darum geht es hier auch gar nicht. Es geht um einen Staat, der sich nicht mehr darauf beschränkt, aktive Krisenpolitik zu betreiben – auf welchem Weg auch immer. Sondern es geht um einen Staat, der in konkrete Unternehmen eingreift oder sie teilweise – oder sogar vollständig – verstaatlichen möchte.

Wir reden hier nicht über verschiedene Philosophien, Krisenpolitik zu betreiben. Ich habe große Sympathien für die Werkzeuge moderner Formen des Keynesianismus in solchen Zeiten, solange sie mit Maß und Ziel eingesetzt werden. Schließlich geht es darum, das Schicksal der gesamten Wirtschaft mitzubestimmen und solange diese Konjunkturpakete nicht nur als Wählergeschenke missbraucht werden, können sie die Erholung von einer Wirtschaftskrise hilfreich stimulieren. Und auch wenn diese Instrumente nicht immer funktionieren und von einigen sogar vollständig abgelehnt werden, so haben sie sicherlich gerade in der Zeit nach der Finanzkrise ab 2008 Massenarbeitslosigkeit, einen Anstieg der Armut, den Verlust vieler Existenzen und eine Welle von Unternehmenspleiten verhindern können.

Allerdings sprechen wir hier immer mehr über einen Staat, der sich entscheidet spezifische Unternehmen zu retten – häufig begründet durch deren Systemrelevanz oder vermeintliche Arbeitsplatzverluste. Dies wird mit unterschiedlichen Argumenten begründet, inbesondere Systemrelevanz oder drohenden Arbeitsplatzverlusten. Wenn ein Unternehmen so systemrelevant ist, dass ein Konkurs für die gesamte nationale Wirtschaft zu einer Bedrohung wird, besteht das Problem darin, das Unternehmen so systemrelevant werden zu lassen. Gerade ordoliberale Ideale sehen vor, massiv gegen Kartellbildung vorzugehen.

Unternehmenspleiten sind Teil unserer sozialen Marktwirtschaft

Drohende Arbeitsplatzverluste durch den Konkurs eines bestimmten Unternehmens sind lediglich ein sehr kurzfristiges Phänomen, da sie langfristig durch einen starken Arbeitsmarkt ausgeglichen werden können. Die negativen Effekte von sogenannten “Unternehmensrettungen” werden hingegen häufig ausgeblendet. Wettbewerb der Unternehmen ist wichtig, damit klar wird, welche Ideen sich durchsetzen und welche nicht. Genau wie bei der Analogie zu dem Fußballspiel sollten die Sieger dieses Wettbewerbs der Unternehmen eher gefördert werden als die Verlierer. Diesen Gedankengang der schöpferischen Zerstörung formulierte Alois Schumpeter 1942 in seinem Buch „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“:

“Jede ökonomische Entwicklung baut auf dem Prozess der schöpferischen Zerstörung auf. Durch eine Neukombination von Produktionsfaktoren, die sich erfolgreich durchsetzt, werden alte Strukturen verdrängt und schließlich zerstört. Zerstörung ist notwendig, damit Neuordnung stattfinden kann.”

Diese Neuordnung ermöglicht eine Weiterentwicklung der Wirtschaft. Dominante Technologien fahren die Früchte ihres Erfolgs auf dem Markt ein, während ungeeignete Technologieentwürfe verschwinden. Produktionsfaktoren (Boden, Kapital, Arbeitskräfte) wandern zu den erfolgreichen Unternehmen hin und von erfolglosen Unternehmen weg. Dieser Prozess der schöpferischen Zerstörung ist eines der Grundfundamente des Wirtschaftswachstums westlicher Gesellschaften und einer der Hauptgründe, warum diese Systeme den staatlichen Planwirtschaften der DDR oder der Sowjetunion eindeutig überlegen waren.

Staatshilfen für spezifische Unternehmen sind fast immer schlechte Wirtschaftspolitik

Warum ist es nun also schlimm, wenn der Staat bei einem Unternehmen in der Krise selbst eingreift? Dafür gibt es im wesentlichen drei Gründe:

1. Verschwimmen der Grenzen zum Staatskapitalismus:

Der Staat hat in einer Marktwirtschaft größtenteils eine Schiedsrichter-Rolle, beteiligt sich aber bei Staatshilfen für spezifische Unternehmen plötzlich am Spiel, was den Wettbewerb verzerrt. Dazu gehört auch, dass Unternehmer:innen sich darauf verlassen können sich darauf verlassen kann, dass der Staat möglichst wenig direkt in den Wettbewerb eingreift. Gesamtwirtschaftliche Hilfen wie Konjunkturpakete sind manchmal notwendig, aber gerade konkrete Staatshilfen für Unternehmen (z.B. Lufthansa, Commerzbank, Holzmann etc.) sind eine bewusste Verzerrung des Marktes. So hält der Staat beispielsweise große Unternehmen mit dem Geld der Steuerzahler am Leben, während kleine Unternehmen meist überhaupt keinen Zugang zu solchen spezifischen Hilfen haben, da sie dafür nicht relevant genug sind (Systemrelevanz bzw. Anzahl der Arbeitsplätze). Sobald der Staat selbst ganz aktiv als Beteiligter „mitspielt“ und nicht mehr nur den Ordnungsrahmen stellt, befinden wir uns in einer illiberalen Wirtschaftsordnung mit planwirtschaftlichen Zügen. In dieser bestimmen nicht mehr Konsumenten und Unternehmer gemeinsam durch ihre Handlungen das Marktergebnis. Im Extremfall befinden wir uns in einem System, das mit einem Bild aus dem alten Rom verdeutlicht werden kann: Der Staat entscheidet – wie Julius Cäsar – ob er den Daumen hebt bzw. senkt und trifft hiermit die Entscheidung darüber, welche dem Konkurs geweihten Unternehmen überleben dürfen und welche nicht. Diese Rolle darf der Staat in einer liberalen Gesellschaft nicht einnehmen, da er in völlig unverhältnismäßiger Form in die unternehmerische Freiheit eingreifen würde.

2. Schlechtes Management wird mit Steuergeldern belohnt:

Die Historie zeigt, dass Unternehmen zumeist aufgrund schlechter Strukturen und Entscheidungen in solche Situationen kommen, die sich in der Regel auch nach einer Unterstützung durch den Staat fortsetzen. Oftmals lässt sich ein Konkurs so nur verzögern und nicht aufhalten. Vollständige Gesundungen von Unternehmen nach einem staatlichen Eingriff sind hingegen sehr selten.

An der Holzmann-Pleite aus den 2000er-Jahren lässt sich dieses Versagen exemplarisch erläutern: Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder schnürte der Staat ein Hilfspaket von über 200 Millionen Euro für das Unternehmen, das aufgrund massiv schlechter strategischer Entscheidungen des Managements bereits auf dem Weg zur Insolvenz war. Damit wollte man das Unternehmen und damit auch die Arbeitsplätze retten. Man kann von Glück sprechen, dass der überwiegende Teil dieser Hilfen nie in Anspruch genommen wurde, da Holzmann als Unternehmen wirtschaftlich bereits dem Tode geweiht war und diese Staatshilfen einer völligen Geldverbrennung gleichgekommen wären.

Es lässt sich auch an anderen Beispielen feststellen, dass gerade Staatshilfen für marode Unternehmen ein unglaublich großes Risiko beinhalten, das dem Zweck, der – oft nur sehr kurzfristigen – Rettung von Arbeitsplätzen, absolut nicht verhältnismäßig gegenübersteht. Der Staat sollte viel mehr dafür sorgen, dass der Arbeitsmarkt so leistungsfähig ist, dass solche Menschen nach ihrer Entlassung nach dem unvermeidbaren Konkurs dieser Unternehmen schnell einen neuen Arbeitsplatz finden und Langzeitarbeitslosigkeit verhindert wird. Eine Politik, die generell für hohes Wachstum und geringe Arbeitslosigkeit sorgt, ist daher selbst für die in diesen Unternehmen arbeitenden Menschen am Ende eine viel bessere Lösung als das Himmelfahrtskommando, Arbeitsplätze in kurz vor der Pleite stehenden Unternehmen zu retten. Dadurch werden lediglich unproduktive Unternehmen für schlechte Managemententscheidungen mit Steuergeldern belohnt: Unternehmen, die lieber Konkurs gehen und am besten aus der Wirtschaft verschwinden sollten – so hart dieser Vorgang kurzfristig gesehen auch sein mag.

3. Ohne wirkliche Exit-Pläne droht ein “Zombie-Kapitalismus”:

Die Realität zeigt, dass keine Exit-Pläne vorliegen, wie der Staat nach einer gewissen Zeit aus den betreffenden Unternehmen wieder aussteigen soll. Somit droht ein “Zombie-Kapitalismus”, in dem der Staat an immer mehr Unternehmen beteiligt ist und so massive Interessenkonflikte für staatliche Institutionen herbeiführt. Dies lässt sich generell bei Staatsbeteiligungen gut beobachten. Kein Beispiel ist hier besser geeignet als die Beteiligung des Bundeslandes Niedersachsen an der Volkswagen AG1 – auch wenn diese nicht primär durch Staatshilfen in Krisenzeiten entstanden ist. Oftmals fragt man sich, ob einige wirtschaftspolitische Entscheidungen niedersächsischer Landesregierungen wirklich das Interesse Niedersachsens oder das Interesse des Volkswagen-Konzerns vertreten. Böse Zungen könnten behaupten, der Ministerpräsident Niedersachsens müsste immer Politiker und Volkswagen-Lobbyist zugleich sein. Gerade bei Interessenkonflikten kann sich der Bürger nicht darauf verlassen, dass seine Interessen im Zweifel auch gegen Konzerninteressen von Volkswagen vertreten werden.

Des Weiteren werden Exit-Pläne – sofern sie überhaupt existieren – oft zeitlich nach hinten verlegt oder sie werden zu einer Never Ending Story. Das ist schön an dem Beispiel zu sehen, dass der Staat an der Commerzbank nun nach etwa zehn Jahren immer noch mit 15,6% beteiligt ist und kein konkreter und glaubhafter Plan vorliegt, wie ein schneller und vollständiger Ausstieg des Staates gelingen kann – ungeachtet dessen, dass eine so hohe Staatsbeteiligung über mehr als ein Jahrzehnt hinweg an einer Bank bereits bis heute zu genügend Interessenkonflikten geführt hat. Ein ähnliches Schicksal ist bei der Lufthansa zu erwarten, die vermutlich jahrzehntelang kein wirklich privatwirtschaftlicher Konzern mehr werden wird – falls überhaupt wieder. Dies wäre absolut fatal, wir brauchen in unserem freien Markt keine “Staats-Airline”, die zudem auch gerade beim Thema Klimaschutz völlig andere Interessen als die Bürger haben könnte. Zudem sollte der deutsche Airline-Markt auch in Zukunft frei unternehmerisch gestaltet werden können und nicht durch eine Monopolstellung einer teilverstaatlichten Lufthansa völlig unwirtschaftlich für Konsumenten gestaltet sein.

Fazit

In Wirtschaftskrisen muss man staatlich eingreifen können. Sinnvoll gestaltete Konjunkturpakete haben einen positiven Effekt auf die Erholung der Gesamtwirtschaft aus einer Krise heraus. Allerdings sollte der Staat immer noch eine Schiedsrichter-Rolle bewahren – zumindest zu einem großen Teil. Unwirtschaftliche Unternehmen müssen Konkurs gehen und die verlorenen Arbeitsplätze müssen durch die Gesamtwirtschaft aufgefangen werden. Dies darf nicht durch einen Zombie-Kapitalismus mit speziellen Staatshilfen für einige Firmen erfolgen, eine Strategie, die zudem diese Arbeitsplätze mittel- und langfristig sowieso nicht erhalten kann. Es mag zwar bei dem ein oder anderen Wähler als tatkräftige Wirtschaftspolitik ankommen – am Ende ist es allerdings nur ein weiterer Schritt weg von einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, auf der unser Wohlstand letztendlich aufgebaut ist.

  1. Bei Volkswagen wurde der Exit sogar kategorisch ausgeschlossen – sowohl bei der versuchten Übernahme durch Porsche als auch in den Jahren danach. Weiterhin wird hier aktiv durch Gesetze in den Ordnungsrahmen eingegriffen, vgl. VW-Gesetz. Dort ist z.B. besonders kritisch § 4 Abs. 3 VWGmbHÜG.[]

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